Drittes Anlegeverbot für die „Karin B.“

Hafenarbeiter in Livorno wollen Entladung des Giftschiffs verweigern / Sollte ihr Protest umgangen werden, versprechen Gewerkschafter und Umweltschützer einen Generalstreik / Livornos Bürgermeister erläßt drittes Anlegeverbot / Inhalt der Giftfässer noch immer unklar  ■  Aus Livorno Werner Raith

Schon beim Überfliegen der „Karin B.“ hart am Rande der Dreimeilenzone vor Livorno sieht man vom Flieger aus den gewaltigen Unterschied zu jenem Schiff, das wir vor drei Monaten aus derselben Cessna beäugt hatten: die „Zanoobia“, in syrischen Diensten mit italienischem Giftmüll unterwegs nach Genua. Dort, auf der „Zanoobia“, waren die Fässer in heillosem Durcheinander kreuz und quer gestapelt. Die „Karin B.“ dagegen, so zeigt sich dann später auf Deck noch deutlicher, ist ausschließlich mit Containern beladen, die meisten davon fest verschlossen, fein geordnet nach Beschriftung. Einige der jungen bundesdeutschen Matrosen der jüngste ist erst 17 - haben während der Fahrt über Kopfschmerzen geklagt und Zusammenhänge mit einem stechenden Geruch aus einem der Behälter vermutet. Kapitän Richard Hinterleitner führt die Schmerzen allerdings eher auf „die übliche Frustration nach mehreren Monaten Fahrt in der Sommerhitze“ zurück und vor allem auf „die sich einander ständig widersprechenden Orders“ während der langen Odyssee des Schiffs durch die Meere. Unklar bleibt, ob der Kapitän die Kopfschmerzen-Diagnose vor allem deshalb so stellt, um endlich in den Hafen einlaufen zu dürfen. Jedenfalls hat er schon weit draußen die gelbe Fahne aufziehen lassen, die den Behörden signalisiert, daß das Schiff und seine Ladung ohne Schäden ist.

Das hat ihm kurz vor unserer Ankunft auch der Sonderkommissar Admiral Alati bestätigt: Nach erster Augenscheinnahme sei alles okay. Der von der Regierung als Oberaufseher für die Verwahrung der Giftfässer an Land ernannte toskanische Regionalpräsident Gianfranco Bartolini möchte jedoch ganz genau wissen, was in den einzelnen Behältern drin ist. Diese Auskunft konnte ihm der Sonderkommissar bis gestern mittag immer noch nicht geben. Bartolini sitzen diesmal nicht nur die Grünen im Nacken auch die Gewerkschaften haben mobil gemacht. Die Hafenarbeiter werden nach Auskunft ihrer Sprecher „nicht einen Finger rühren, um die hundertsechzig Dinger von Bord zu bringen“. Sollte die Regierung per Dekret dann Militär zum Entladen einsetzen, „gibts hier wirklich Zoff“, versichert ein Flugblatt der drei großen Gewerkschaften CGIL/CISL/UIL: „Dann treten wir in beiden Regionen in Generalstreik“.

Daß die Behörden zumindest vorerst den starken Mann hervorkehren wollen, wird alsbald so unangenehm wie hautnah klar. Das Gespräch mit der Besatzung wird jäh durch hartstrahlige eiskalte Wassergüsse unterbrochen. Wasserwerfer blockierten Greenpeace-Mitglieder, die die „Karin B.“ mit ihrem Schiff einige Male umrundet und dann versucht haben, den Frachter zu entern.

Unbeeindruckt von der Admirals-Visite erläßt Roberto Benvenuti, kommunistischer Bürgermeister von Livorno, ein drittes Mal sein Anlegeverbot für die „Karin B.“. Zwei Mal bereits hat es ihm der zuständige Amtsrichter mit dem Hinweis auf die „einmalige Notsituation“ zerrissen. Vorsichtshalber hat der Bürgermeister in sein neues „Nein“ auch den Satz hineingeschrieben: „Es besteht Anlaß zur Sorge, daß die 'Karin B.‘ entgegen der Versicherung der Regierung nicht der einzige Fall sein wird, der uns hier belasten könnte.“ Da hat er wohl recht. Die Besatzung der „Karin B.“ berichtet, daß am Hafen von Koko in Nigeria, wo sie ihre Ladung aufgenommen haben, „Tausende teils völlig offener, stinkender und rauchender Fässer daliegen.“ Und die sollen nach Angaben der nigerianischen Behörden demnächst allesamt nach Italien zurückgesandt werden.