Mit einer leichten Hand

■ Die bulgarische Konzertpianistin Nadja Geneva-Base, seit fünf Jahren wohnhaft in Bremen, spielt morgen abend im Syker Rathaus Franz Liszt, Maurice Ravel und Mussorgskij

Nadja Geneva-Base ist Bulgarin und sieht so gar nicht aus, wie man sich Konzertpianistinnen immer vorstellt, die immer nur ein Schatten ihrer selbst sind, und die man nicht ansprechen mag, weil sie schwindsüchtig-entrückt immer so aussehen, als würden sie berufsmäßig an Krankenbetten sitzen, und immer nur in dur und moll reden und die immer nur üben. Nadja Geneva-Brase ist bei allem Üben immer noch ein Mensch-wie-du-und-ich geblieben, spricht deutsch mit einem liebenswert östlichen Akzent, trinkt coffeinfreien Kaffee, um ihr Herz zu schonen, und kann trotzdem wundervoll Klavier spielen. Das glaube ich ihr, obwohl ich sie nicht habe spielen

höre.

Nadja Genova-Brase lebt seit fünf Jahren in Bremen. Wie kommt man als Bulgarin nach Bremen? Durch Heirat. Bevor sie in Bremen einheiratete, war sie Konzertpianistin mit einer klassischen Ausbildung: Musikgymnasium, zweijährige Ausbildung am Institut für Musik, Musikhochschule, alles in Sofia. Wollte sie schon immer Pianistin werden? Nein. Ihre Mutter, selbst Klavierlehrerin, gab ihr ersten Unterricht, aber „das war immer noch Spiel, kein Ernst“. In Bulgarien gibt es noch so etwas wie die traditionelle Groß -Familie, die man nur aus Geschichtsbüchern kennt, und als Nadja ein pupertierendes Teenie war, trat der Familienrat zusammen, um über Nadjas Zukunft zu beraten. Sie hatte die Wahl: Der Vater riet ihr zum Zahnmedizin-Studium, die Oma zur Malerin. „Da habe ich mich für das Musikstudium entschieden“. Weil sie ohne Musik nicht mehr leben wollte. Kurz vor ihrem Hochschuldiplom lernte sie den Pianisten Konstantin Stankovitsch kennen, „ein interessanter Mensch“, dessen pianistische

Konzeption die Synthese von Rubinstein, Cortot, Leimer und Neuhaus ist. Sie wurde eingeladen, mußte vorspielen. Stankovitsch nahm sie nur unter seinen Bedingungen als seine Schülerin an: „Ich durfte mich nicht verlieben und mußte jeden Tag sechs Stunden üben“. „Von ihm habe ich so viel gelernt“, schwärmt sie, es war der Beginn einer großen Karriere.

Dann hat sie sich doch verliebt, und ist zu ihrem Mann nach Bremen gezogen. „Hier ist alles anders“, sagt sie, „hier wird man erst populär durch die Medien. In Bulgarien gibt es Mundpropaganda, wenn den Leuten meine Musik gefällt, dann kommen sie. Hier ist die Kritik am Wichtigsten“. In Bremen mußte sie neu anfangen, mühevoll Kontakte knüpfen, Bertrand Espuy vom Institut Francais half ihr und vermittelte einige Auftritte. Seit 1986 ist sie Dozentin für Klavier an der Hochschule in Hamburg.

Morgen abend, 20 Uhr, spielt sie im Syker Rathaus Mussorgskij, Liszt und Ravel. Hingehen und zuhören!

Regina Keichel