Immer auf die Radiohren

■ Radio-Bremen-Hörspiel am Dienstag von Michael Esser: „Wie Hans Linda traf.“

Taxifahrer Hans liebt Rundfunkmoderatorin Linda, Linda Lie mit vollständigem Namen, was aber nicht als bedeutsam sprachspielerische Ver-Enthüllung des englischen lie zu verstehen ist, denn Linda lügt nie. Sie ist eine ganz klasse Moderatorin, die sich schon frühmorgens in ihrer „Show“ hochphilosophische Gedanken über die Zerstörung unserer Umwelt macht: „Amerikas Städte wachsen“, raunt sie, „aber der Sinn geht verloren, die Inhalte fehlen.“

Taxifahrer Hans seinerseits hat sich in die Rundfunkstimme und das, was sie absondert, verliebt, weil er ja selbst so ein inniglich-sinniger Lebens-und Umweltphilosoph ist: „...wie wir sie behandeln, die Bäume“, räsonniert er seinem verständnislosen Kollegen ins Ohr, „der Mensch ist nichts weiter als eine Bazille.“

Beide, Linda wie Hans, stoßen natürlich auf Unverständnis in ihrer unsensiblen Umwelt. Besonders Linda, die vom Sendeleiter Heck mitten in der Sendung bedroht wird: „Ich dreh‘ Ihnen den Saft ab, wenn Sie weiter solchen Unsinn reden.“ „Arschloch, du Schwein“, sagt die mutige Linda leise vor sich hin. Aber auch wenn der Sendeleiter von Gert Haucke gesprochen wird, dem man in Fernsehen und Hörfunk fast ausschließlich als Fiesling vom Dienst begegnet - daß er dieser Moderatorin den Saft abdrehen will, kann man ihm wirklich nicht verdenken. Denn der Autor, der sich dieses jaja, so nennt man das - „zeitkritische Hörspiel“ ausgedacht hat, trägt stiefelsdick und bierernst seine Botschaft auf, obwohl der Pressetext von Radio Bremen schlankweg behauptet, das Hörspiel gäbe sich „leicht ironisch“. Warum aber muß dann diese Linda von Marion Breckwoldt so überanstrengt locker gesprochen werden? Warum muß Uwe Bohm, der doch eigentlich ein guter Schauspieler ist, so gekünstelt beiläufig nuscheln, daß Sätze herauskommen wie: „Die betrungnen Fahrhässe - ihre Heschichensenalle verloohn.“ („Die betrunkenen Fahrgäste - ihre Geschichten sind alle verlogen.“) Warum, da er selbst doch gar nicht betrungenis?

Und vor allem: Wenn einer sich schon in die Gefilde des Moderatorenwesens beim Rundfunk wagt: Wieso gibt er sich einerseits realistisch, ereifert sich andererseits aber so missionarisch - und damit eben ganz unironisch - über den bösen Rundfunk, der eine verquast philosophierende Moderatorin nicht dulden will? Natürlich, es ist ja nur eine Liebesgeschichte, denn am Ende sitzt Linda im Taxi von Hans, und die Hörer wissen: Da haben sich zwei mächtig sensible Leutchen gefunden, die vom Leben ein bißchen gezaust worden sind. Aber das zausende Leben ist den beiden Naiven nur in Gestalt von Worthülsen begegnet. Und uns auch.

Sybille Simon-Zülch