Daten-Strafanzeigen nur Alibi

■ Staatsanwaltschaft und Datenschützer sehen keine Grundlage für strafrechtliche Verfolgung der Polizisten / Sozialdemokratische Juristen: Vertrauen in Polizei steht in Frage

Daß „Fotos von Scherf und Franke zwischen Mördern und Dieben“ in vertraulichen Polizeiakten auf unaufgeräumten Speichern zu finden sind, hält auch die Bild-Zeitung für einen „Polizeiskandal“. Daß auch Senatorenköpfe in der Polizeiakte gefunden wurden, ist zwar eine freie Erfindung, trotzdem ging die Diskussion, welche Konsequenzen aus dem dreifachen Fund von vertraulichen Polizeidaten gezogen werden sollen, gestern weiter. Am Freitag wird sich auch der Datenschutz-Ausschuß der Bremer Bürgerschaft damit beschäftigen.

„Viele Bürger fragen sich angesichts dieser massierten Vorfälle“, meinte die Arbeitsgemeinschaft sozialdemokratischer Juristen (ASJ) gestern, „ob sie der Polizei noch ihre Daten anvertrauen können“. „Umgehend“

seien Maßnahmen zu ergreifen, um den Datenschutz im Polizeihaus sicherzustellen. Es sei „zu unterbinden, daß Polizeibeamte solche Vorgänge einfach mit nach Hause nehmen“.

Auch für die Grünen sind die Funde nur die „Spitze des Eisberges“. Die Polizeiführung habe es offenbar versäumt, die Beamten in den elementarsten Grundregeln des Datenschutzes auszubilden.

Innensenator Meyer hatte noch vorgestern als „normal“ gerechtfertigt, daß Polizeibeamte Akten mit nach Hause nehmen. Für den Datenschutzbeauftragten Büllesbach ist dies ein „nicht erträglicher Zustand“. Büllesbach hat dem Innensenator erklärt, die Vielzahl der Fälle mache eine Anweisung an alle Beamten erforderlich, bei sich zu Hause aufzuräumen. Oft stellten sich Polizei

beamte auch Privatakten her, wenn sie davon ausgingen, daß sie in einer Sache später als Zeugen vernommen werden könnten.

Büllesbach hatte dem Innensenator auch schon am vergangenen Freitag erklärt, daß die vom Polizeipräsidenten öffentlich angekündigten Strafanzeigen juristisch ohne Hand und Fuß seien. Weder der insbesondere für die Durchsuchung angeführte Vorwurf der Fundunterschlagung noch der Vorwurf der Weitergabe vertraulicher Akten seien strafrechtlich haltbar.

Wie der Sprecher der Staatsanwaltschaft gestern der taz erklärte, ist der Bericht der Polizei bei der Staatsanwaltschaft noch nicht eingegangen; eine Rechtsgrundlage für eine strafrechtliche Verfolgung der Finderin wegen „Fundunterschlagung“ oder der Weitergabe der Akten gebe es

aber nicht. Bei den Polizeibe amten müsse geprüft werden, ob der Tatstand des „Verwahrungsbruches“ gegeben sei.

Innensenator Meyer hatte auf der Pressekonferenz von einer „Bitte“ der Polizei an die Staatsanwaltschaft gesprochen, den angezeigten Fall nicht zu verfolgen. Für eine solche „Bitte“, so der Sprecher der Staatsanwaltschaft, gibt es in keinem Fall eine rechtsstaatliche Grundlage.

Der Datenschutzbeauftragte Büllesbach meinte, die Finderin der Akten sei im Interesse der Demokratie geradezu verpflichtet gewesen, für eine „öffentliche, demokratiefähige Aufklärung“ zu sorgen - d.h. die Unterlagen nicht einfach vertraulich der Polizei wiederzugeben, wie Polizeipräsident Diekmann verlangt hatte.

K.W.