Soldaten-Rebellion nach Putsch in Haiti

■ Die neue Regierung entläßt acht Generäle aus der Armee / Reaktion auf Vorfälle in mehreren Militär- und Polizeieinheiten, bei denen hohe Offiziere und Anhänger der alten Regimes verjagt wurden / Soldaten fordern Wiedereinsetzung der Verfassung und Neuwahlen

Port-au-Prince (wps/ap) - Die neue Regierung von Haiti unter Generalleutnant Prosper Avril hat am Dienstagabend die Pensionierung von acht Generälen bekannt gegeben. Zu den Entlassenen zählt auch der Innen- und Verteidigungsminister des gestürzten Namphy-Regimes sowie der bisherige Stabschef. Mit dieser Maßnahme reagierte Avril, der am vergangenen Sonntag durch einen Putsch an die Macht kam, auf die Stimmung unter Mannschaften und Offizieren niedriger Ränge, die auf eine Säuberung der Streitkräfte dringen. In der Hauptstadt Haitis, Port-au Prince, war von einer „Revolte der Feldwebel“ die Rede.

Während der neue Präsident nach dem Putsch die Truppen zu Ruhe und Ordnung rief, nahmen Soldaten und Polizisten mehrerer Einheiten in Port-au-Prince und Umgebung das Gesetz in die eignenen Hände und verhafteten oder vertrieben ihre Vorgesetzten. Zielscheiben des Unmuts waren dabei hohe Offiziere, die über enge Beziehungen zu dem gestürzten Namphy-Regime und häufig auch zur Familie der Ex-Diktatoren Vater und Sohn Duvalier verfügen. Außerdem wurde den meisten der geschaßten Offiziere vorgeworfen, ihre Untergebenen mißhandelt zu haben. Der unabhängige Rundfunksender „Radio Metroplole“ berichtete von einem halben Dutzend solcher Vorfälle. Zugleich hieß es, die Angestellten der staatlichen Mehlfabrik und der Elektrizitätsgesellschaft hätten mit einem Streik gedroht, falls die jeweiligen Chefs nicht entlassen werden. Beide zeigten sich bereit, zurückzutreten.

Es waren die Angehörigen der unteren Ränge der Präsidialgarde gewesen, die während des Putsches in vorderster Reihe standen. Mittlerweile sieht es so aus, als müsse Avril seine Macht mit ihnen teilen. Bislang ist der General kein einziges Mal in der Öffentlichkeit aufgetreten, ohne daß ihm Feldwebel Joseph Hebreux zur Seite stand. Der 27-jährige gilt als Sprecher der einfachen Soldaten und Unteroffiziere. Diese haben Avril eine Liste mit 19 Forderungen überreicht, zu denen unter anderem die Wiedereinsetzung der 1987 suspendierten Verfassung , baldige Wahlen und eine Trennung von Militär und Polizei zählen.

Beobachtern zufolge ist bislang keineswegs klar, ob Avril der eigentliche starke Mann des Putsches oder ein Aushängeschild der einfachen Soldaten ist. Eine Unterstützung der niederen Ränge in Militär und Polizei für die neue Regierung wäre vor allem deshalb wichtig, weil deren Angehörige in der Regel den armen Schichten der Bevölkerung entstammen.

Zum neuen Kommandanten der Streitkräfte ernannte Avril unterdessen Generalmajor Herard Abraham. Obwohl dieser als Außenminister Mitglied der gestürzten Namphy-Regierung war, wird er von haitischen Beobachtern und ausländischen Dipolmatem als Gemäßigter bezeichnet, dem seine Verbindung zur ehemaligen Regierung nicht geschadet hat. Eine starke Stellung dürfte auch dem Oberstleutnant Jean Claude Paul zukommen, einer der wenigen Befehlshaber von Eliteeinheiten, der nicht abgesetzt wurde. Eigentlich hätte er den Posten Abrahams erhalten sollen. Doch die Reagan-Administration legte Avril nahe, ihn nicht zu befördern. Der Grund: Er wurde in Miami wegen Drogenschmuggels angeklagt.