Radikaler US-Botschafter

■ Gil Scott-Heron spielte mit Band und ernsthaft poltischen Texten zu schwarzer Tanzmusik am Mittwoch im Modernes

„It's all gonna be jawohl“ rief der Sänger mit den viel zu langen Armen und Beinen einmal von der Bühne, und die Stimmung wurde dann auch immer jawohler: Gil Scott-Heron zeigte im Modernes einmal wieder, daß er in seinen Konzerten zwei Fliegen mit einer Klappe erwischt: in seinen Texten ist er radikal und läßt kein gutes Haar an der US-amerikanischen Politik, mit seiner Musik dagegen ist er ein guter Botschafter seines Landes: wo ein so guter Rhythmus entsteht'kann nicht alles schlecht sein. In seinem Song „Winter in America“ wird dieser Gegensatz besonders deutlich: Es gibt nur noch eine Jahreszeit in Amerika - den frostigen Winter mit eingefrorenen Verhältnissen, nichts Neues kann Wurzeln schlagen, die Ideen, Ideale und Herzen der Menschen sind kalt. Dieser Text wird Lügen gestraft durch die zwar traurige, aber auch sehr gefühlvoll und warm gespielte Musik. Diese Widersprüche zwischen Text und dem schwarzen, immer tanzbaren Rhythmus machen die Auftritte von Scott-Heron so spannend.

Diesmal schien ihm die Musik wichtiger zu sein, als die politischen Inhalte. „Some music we play for fun, some we play for serious“ sagte er, und die „Fun„stücke waren dann auch die Höhepunkte des Abends, etwa „Is that Jazz“ als Schnellauf durch die verschiedensten Jazzstile. Oder „Angel Dust“ in einer sehr langen, ausgeflippten Version mit einem torkelnden, lallenden und stotternden Scott-Heron, der

in seinem Anti-Drogensong auch gleich den Rausch schauspielerte. Andere Stücke wurden wie Pflichtprogrammpunkte gespielt, etwa der Anti-Nuclear-Power -Song „We Almost Lost Detroit“, ganz kurz und karg als Aufwärmer zum Anfang.

Scott-Heron ging mit einer für seine Verhältnisse kleinen Gruppe auf die Bühne; bei früheren Konzerten hatte er schon kleinere Big-Bands neben sich, diesmal aber nur die Minimalbesetzung: Schlagzeug, Percussion, Bass und ein Bläser, dazu Scott-Heron selber am E-Piano. Aber die fünf spielten so geschlossen'daß sie sich anhörten, wie eine viel größere Band. Der mächtige Ton des Tenorsaxophons von Ron Halloway bestimmte neben Scott-Herons Stimme den Sound der Band, Robert Gordon wurde als der„Secretary of Entertainment“ im Kabinett Scott-Herons vorgestellt, verantwortlich für die „Vibmosphäre“ und mit seinen harten Basslinien hielt er tatsächlich Ordnung im swingenden Rundumschlag von Blues und Funk zu Jazz und Rap.

Zum Schluß triumphierte die Party-Stimmung dann endgültig: Als Zugabe gab es den Klassiker „Johannesburg“ und „B-Movie“ mit der bei Amerikanern so beliebten Mitsingaktion fürs Publikum. Das war dann für fünf Minuten nochmal „Groove pur“ in einem Konzert mit erstaunlich wenig Botschaften, aber einem exquisiten Botschafter der schwarzen Musik.

Willy Taub