Wedemeier neu in St.-Jürgen-Gate

■ Übergangene Firma beschwerte sich im Sommer 1987 vergeblich über Unregelmäßigkeiten beim Bürgermeister / Herbert Brückners Bruder als überforderter Krankenhausbauleiter

Der Untersuchungsausschuß „St.-Jürgen-Straße“ betrat gestern kriminologisches Neuland: Er verließ die Niederungen der Krankenhausbakterien, der Desinfektionsmittel und der mittelmäßigen Schmiergelder und wandte sich den millionenschweren Neu-und Umbauten im Klinikum zu. Das Publikums war's zufrieden, zumal außer beachtlichen Millionensummen auch eine namhafte Baufirma und pro

minenteste Politiker genannt wurden: Die Bremer Firma Engeland, Bürgermeister Klaus Wedemeier und Ex -Gesundheitssenator Herbert Brückner.

Als ersten Bauauftrag untersuchten die ParlamentarierInnen gestern das „Tablettsystem“. Dieses kostete das Klinikum 6,3 Millionen Mark - und damit im Nachhinein fast 4 Millionen Mark mehr als die Angbote abgelehnter Bewerber. Ein „Tablettsystem“

soll gewöhnlich die Arbeit rationalisieren. Das Essen wird nicht mehr in Kübeln von Schwestern auf den Stationen ausgegeben, sondern die einzelnen Zutaten werden vom Küchenpersonal via Förderbänder auf die diversen Patienten -Tabletts verteilt. Ein „Tablettsystem“ erfordert demnach nicht nur Investitionen in „Tabletts“, sondern auch in den Umbau der Küche, in Förderbänder, Spülen, Warmhaltesysteme.

Bevor die bekanntermaßen „unkonventionelle“ Klinikleitung nun eine Ausschreibung für ihr gewünschtes „Tablettsystem“ veröffentlichte, ließ sich der verantwortliche Einkaufsleiter Willi Möhle ein 80seitiges Angebot unterbreiten - von dem künftigen Haupt-Anbieter Werner Woosmann. Woosmann ist Handelsvertreter des Großküchen -Einrichters „Stirlen“, sein 80-Seiten-Papier ging wie erhofft in den Ausschreibungstext ein, und - er bekam den Zuschlag als tüchtigster Anbieter.

Der Zuschlag erfolgte, obwohl sein Gesamtpreis weit über der 2,4 Millionen-Mark-Offerte seines unterlegenen Mitbewerbers „temp-rite“ lag. Der Zuschlag erfolgte auch, obwohl Woosmann keine Einzelpreise ausgewiesen und etliche Installationsphasen ganz vergessen hatte. Der Auftrag verteuerte sich nachträglich auf mehr als das Doppelte, auf 6,3 Millionen. Wieviel von dieser Summe als Bestechungsgeld geflossen ist, soll ein Gutachten klären, das der Ausschuß kürzlich bei Wirtschaftsprüfern in Auftrag gegeben hat.

Der gestrige Zeuge, Ex-Einkaufsleiter Willi Möhle, lehnte die Verantwortung für das „Tablettsystem“ ab. Er sei kurz nach der Auftragsvergabe von dem Ex-Verwaltungsdirektor Aribert Galla „ausgeschaltet“ worden,

genau wie das städtische Hochbauamt und der zuständige Klinikmitarbeiter Harms. Galla habe dafür gesorgt, daß nur noch der im Krankenhaus angestellte Bruder des damaligen Gesundheitssenators, der gelernte Maurer Wilfried Brückner, mit dem Auftrag „Tablettsystem“ zu tun gehabt habe. Willi Möhle: „Das war ein Befehl von Galla. Natürlich war Brückner als ausgebildeter Maurer nicht für die Bauleitung geeignet“.

Einer erhob schon damals Protest an höchster Stelle. Der Geschäftsführer der unterlegenen Tablett-Firma „temp-rite“ schrieb im Sommer 1987 an den ersten Bürgermeister Klaus Wedemeier, weil ihm „jeder Steuergroschen weh tut, wenn ich an die St.-Jürgen-Klinik denke.“ Des Bürgermeisters Senatskanzlei gab den Brief weiter an die Gesundheitsbehörde, und die läßt sich ausgerechnet von den Missetätern Galla und Möhle die Beschwerde aufklären. Die Gesundheitsbehörde beruhigt deshalb den übervorteilten Geschäftsführer von „temp-rite“ am 26.10.87, mit der Nachricht „daß im Krankenhaus die richtige Entscheidung getroffen wurde“.

Barbara Debus

Heute wird der ehemalige Senatsdirektor im Bauressort, Eberhard Kulenkampff, vernommen.