: In putativer Notwehr final gerettet
■ Polizysten live und im TV
So manipuliert sie auch sind, die Bilder aus der Desinformations- und Propagandainstitution Tagesschau, dem zoologischen Blick bieten sie doch dies und das; H.Kohl, Hormonskandal auf Beinen, und F.Zimmermann, sein Polizeiminister, beide lächelnd lächelnd lächelnd, Zimmermann Bedrohung aus dem meineidgeprüften Sprengkopf herausknarrend; hatte zunächst die autonome Sorte Mensch zwar nicht das Pulver, aber angeblich, nach den Schüßchen auf Tietmeyer, den Schrot erfunden, so sollen's jetzt gleich die Schützenvereine RAF und Rote Brigaden gewesen sein - im TV sind ein paar „Fundstücke“ und „Dokumente“ zu sehen, Marke: Das ist der Beweis!- aber wenn diese gleichermaßen bestürzend harmlosen wie den Rechtsauslegern so günstig ins staatsterroristische Konzept passenden Blindgänger (Sportlerjargon: Fahrkarten) nicht der polizeilichen Selbstschußanlage entstammen, dann gibt es keine Polizei.
Und die gibt es: Polizysten sind überall. Mit dem Fahrrad durch den (jetzt NATO-verdrahteten) Berliner Tiergarten, zwo Stck. berittene Mehlmützen schnarren Absteigen!; mit dem Auto durch den Spätsommerabend, Fenster offen, Lala an, die Grünweißen blaffen Musik aus!; an jeder Straßenecke die KOBs, sackplump und die Finger verwurstelt hinterm Rücken; und dies sind nur die vergleichsweise harmlosen Plagen, die lästigen Herabsetzer jedweder Lebensqualität. Dann die Unsichtbaren, die Frogs, die ihre Nase in die Post stecken, ihre Ohren ins Telefon, oder, vom Nebentisch, ins Gespräch; die trainierten Halbtotschläger; 9000 Feldgrüne belagern Berlin, 2700 von ihnen aus dem Bundesgebiet, reisende Chaoten. (Hier immerhin protestieren die Autonomen: als gute Berliner bestehen sie darauf, auschließlich von ortsansässigen Kräften niedergemacht zu werden, Touries raus!)
In Zivil werden die Sondereinsatzkommanditen durch die Stadt gekarrt, Berliner Einsatzleiter als Erlebnisreiseführer vorneweg, die Finger weisen auf mögliche „Brennpunkte“, man steigt aus, macht sich ortskundig, geht ein Stück zu Fuß; ausbaldowern heißt sowas, checken, sich mit dem Ort seiner künftigen Verbrechen vertraut machen.
Der Flughafen Tegel ist weiträumig abgesperrt, jedes Auto eine potentielle Bombe, wer in der Nähe der IWF -Tagungsstätte ICC aus der U-Bahn steigt, ist augenblicklich vehementer polizeilicher Drangsalierung ausgesetzt, die Hubschrauber schrauben und die Wasserwerfer sind gefechtsbereit. Wer von Polizeistaat spricht, macht sich der massiven Verharmlosung schuldig; man hat es mit einer militärischen Maschine zu tun. Hausdurchsuchungen und willkürliche Festnahmen sind die Regel, der Ausnahmezustand ist Normalität.
Auch die Tagesschau, Glasauge in die Welt, verwehrt sich nicht gewissen Eindrücken: im Zuge der militärischen Besetzung Berlins, das nur Pilotprojekt ist und so, wie es sich jetzt darstellt, tatsächlich „Schaufenster“ des „Freien Westens“, ist von „Unbequemlichkeiten für die Bewohner“ die Rede; Unbequemlichkeiten wie einstweilige Erschießungen, selbstverständlich in putativer Notwehr zur finalen Rettung verabfolgt.
Gestern vor sieben Jahren wurde Klaus Jürgen Rattay polizeilich vor einen Bus der Berliner Verkehrsbetriebe gehetzt, von diesem auf die Stoßstange genommen, mitgeschleift und getötet. Ich kannte ihn nicht, er ist mir egal, er ist kein Held, kein Märtyrer, bloß einer von vielen Belegen dessen, was wirklich, was eigentlich gemeint ist, wenn von Rechtsstaat und Demokratie die Rede ist. Kein Ausrutscher, kein Versehen, sondern: so geht das.
Zur Wirklichkeit der Polizysten Hermann Gremliza, Startbahn Hafenstraße, Konkret 12/87: “...jeder spürt, daß der Satz, auch ein Polizist sei nur ein Mensch, erstens eine entwaffnende Banalität und, je pathetischer er repetiert wird, zweitens eine geharnischte Lüge ist. Polizist heißt der Beruf, Menschen mit Gewalt oder durch deren Androhung dem Staat gefügig zu machen. Und zwar auf Befehl - selbständige, eigenständige Entscheidungen sind ausdrücklich unerwünscht. Der ideale Polizist ist der wohlprogrammierte Exekutionsroboter. Er darf nicht mit sich reden, gar sich überzeugen lassen, nicht zögern, nicht sich bedenken. Eigenschaften und Fähigkeiten, durch deren Besitz sich der Mensch vom Tier wie von der Maschine unterscheidet, muß er (so er sie besitzt) ausschalten. Ein Polizist im Dienst ist auch nur ein Polizist. Wenn er spricht, spricht er: 'Hier spricht die Polizei‘. Erst nach Dienstschluß und auf dem Obduktionstisch ist er: auch nur ein Mensch.“ Wie spricht der Gute Christ: auf daß wir alle Menschen werden.
wiglaf droste
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