Das kleine Einmaleins der Schuldenkrise

■ Eine Flut von Fachworten und Abkürzungen wird in den kommenden acht Tagen über uns kommen - die taz hilft durch die Sprache der Experten und einige der Seifenblasen, die sie produzieren / Weltbank und IWF: Wer wieviel zu sagen hat

G-5

diese Bezeichnung steht für den exklusiven Klub „Gruppe der Fünf“. Dazu gehören die Finanzminister und Notenbankchefs der USA, Japans, der Bundesrepublik, Großbritanniens und Frankreichs. Er wurde Anfang der 70er Jahre gegründet, um hinter verschlossenen Türen die Wirtschafts- und vor allem Währungspolitik der mächtigsten Industrieländer zu beraten.

G-7

steht für die um Italien und Kanada erweiterte G-5. Damit wären alle Teilnehmerstaaten des jährlich stattfindenden Weltwirtschaftsgipfels beisammen. Die beiden Youngsters in dieser Runde wollten vor zwei Jahren nicht mehr einsehen, daß sie vom Klub der Großen ausgeschlossen sind. Die italienische Regierung wollte gar den kompletten venezianischen Weltwirtschaftsgipfel platzen lassen, wenn sie nicht endlich richtig dazugehören dürfte. Da bekamen die anderen Angst, und seitdem hat die G-7 mehr oder weniger die G-5 ersetzt. Sie tagt regelmäßig, insbesondere vor den jährlichen Weltwährungskonferenzen im Herbst, aber auch anläßlich der Interimstagungen im Frühjahr.

G-10

Dieser Klub zeichnet sich vor allem dadurch aus, daß er nicht zehn, sondern elf Mitglieder hat. Außer der G-7 nämlich noch Belgien, die Niederlande, Schweden und seit 1984 auch die Schweiz. Sie haben sich dazu verpflichtet, dem Internationalen Währungsfonds bis zu 17 Milliarden Dollar zu leihen, wenn ihm einmal das Geld ausgehen sollte.

G-24

Dieser Klub treibt noch größere Zahlentäuscherei, er wurde 1972 nämlich von über 100 Staaten der Dritten Welt gegründet, um auf den Währungskonferenzen die Interessen der Entwicklungsländer geschlossener vertreten zu können. Der Name ist dennoch nicht völlig unsinnig, sind doch jeweils acht Staaten aus Lateinamerika, Afrika und Asien die Vertreter dieser Ländergruppe.

G-77

(Garantiert die letzte „G“) Diese Gruppe besteht wiederum aus 109 Drittwelt-Staaten, ursprünglich waren es aber tatsächlich deren 77, die sich bei der Konferenz für Handel und Entwicklung bei den Vereinten Nationen (UNCTAD) zusammentaten, um im Welthandel möglichst mit einer afro -asiatisch-lateinamerikanischen Stimme zu sprechen.

Interimsausschuß

Auch wenn sich der Name eher vergänglich anhört, so handelt es sich doch um den Klub innerhalb des IWF, der nachhaltig die Politik des Internationalen Währungsfonds bestimmt. Ihm gehören stellvertretend für die 151 Mitgliedsländer die Finanzminister oder Notenbankchefs aus 22 Ländern an. Das Gruppengefühl hat hier jedoch seine Grenzen: Die Stimmrechte richten sich wie insgesamt in IWF und Weltbank nach den Anteilen am Fondskapital (siehe Quoten).

Entwicklungsausschuß

Dieses gemeinsame Gremium von IWF und Weltbank soll eigentlich die Politik beider Institutionen aufeinander abstimmen, um die ökonomische Entwicklung der Drittweltstaaten voranzutreiben.

Pariser Klub

Zu diesem erlauchten Kreis gehören die Vertreter der Gläubigerstaaten, also derjenigen Regierungen, die entweder selbst direkt Kredite an Drittweltstaaten vergeben oder dieselben mit staatlichen Sicherheiten verbürgt haben. Seit 1956 trifft man sich, um bei Zahlungsunfähigkeiten einzelner Länder über Umschuldungen (Verlängerung der Kreditlaufzeiten, neue Kredite u.v.a.m.) zu befinden.

IDA

(International Development Association, Internationale Entwicklungsagentur). Hierbei handelt es sich um ein Tochterunternehmen der Weltbank, das zu besonders günstigen Bedingungen Kredite an die ärmsten Entwicklungsländer (LLDC, Least Developed Countries mit einem jährlichen Pro-Kopf -Einkommen von unter 410 Dollar) vergibt. Bis auf die Bearbeitungsgebühr sind die Kredite kostenfrei und mit sehr langen Laufzeiten ausgestattet. Im achten IDA-Programm 1987 -89 stehen 12,4 Milliarden Dollar zur Verfügung. Die USA haben sich bisweilen vehement gegen die IDA ausgesprochen.

IFC

(International Finance Corporation, Internationale Finanz -Vereinigung). Noch eine Weltbanktochter, die private Investitionen in Entwicklungsländern fördert. Die IFC übernimmt eine Teilfinanzierung für private Projekte dann, wenn nicht genug Privatkapital zu angemessenen Konditionen zur Verfügung steht.

MIGA

(Multilateral Investment Guarantee Agency, Multilaterale Investitions-Garantie-Agentur) Diese jüngste Weltbank -Tochter wurde erst im Juni 1985 gegründet und nahm in diesem Jahr ihre Arbeit auf. Sie soll den ängstlichen westlichen Unternehmern die Scheu vor Direktinvestitonen in der Dritten Welt nehmen, indem sie gegen politische Risiken wie plötzliche Devisenbeschränkungen, Krieg, innere Unruhen oder gar unvermittelte Gesetzesänderungen Versicherungen anbietet.

Fazilitäten

Dies sind die verschiedenen Kredittöpfe, die der IWF eingerichtet hat, um Mitgliedern bei Zahlungsbilanzengpässen und Schuldenproblemen unter die Arme zu greifen. Gegen unvorhergesehene Exportpreissenkungen, Ölpreissteigerungen und andere Wehwehchen werden Geldspritzen verschrieben, quasi als ambulante Behandlung, ohne den Ursachen der Probleme zu Leibe zu rücken.

Als da sind:

EFF

(Extendes Fund Facility, Erweiterte Fonds Fazilität): Für bestimmte Fälle vergibt der Fonds hieraus Kredite über vier (und nicht wie üblich über drei) Jahre, um Anpassungsprogramme für hochverschuldete Länder mit mittlerem Einkommen zu erleichtern.

SAF und ESAF

(Structural Adjustment Facility / Enhanced Structural Adjustment Facility): Die Strukturanpassungsfazilität und ihre „erweiterte Schwester“ sind erst 1986 und 1987 eingerichtete Kredittöpfe mit für IWF-Maßstäbe relativ günstigen Bedingungen für 62 der ärmsten Länder, hauptsächlich in Afrika.

CCFF

(Compensatory Contingency Financing Facility): Die neueste Erfindung des Fazilitätswesens, brandneu vom August 1988). Sie schließt zwei frühere Kredittöpfe ein und soll den IWF in die Lage versetzen, Länder mit laufenden Bereitschaftskrediten oder ESAF-Hilfen zusätzliche Kredite zu geben, damit sie ein vereinbartes Anpassungsprogramm auch dann noch erfüllen können, wenn plötzliche Preiseinbrüche bei wichtigen Rohstofen die Exporteinnahmen senken oder stark steigende Getreidepreise oder Zinserhöhungen die knappen Devisen aufzehren.

Man sieht, es ist für alles vorgesorgt. Der IWF will ganz offenbar verhindern, daß ein Land in der verfahrenen Weltwährungssituation aus der Finanznot gezwungen wird, am Ende eine internatonale Regelverletzung begehen zu müssen.

Bereitschaftskredite

(Stand-by Arrangements): Dies sind die klassischen kurzfristigen Kredite (über 12 oder 18 Monate), die der IWF zur Behebung von kurzfristigen Zahlungsbilanzschwierigkeiten vergibt. Während der Fonds die ersten Kredite noch ohne Bedingungen vergibt, wird es bei nachhaltiger Geldaufnahme Ernst mit den Auflagen.

Es handelt sich dabei um das finanzpolitische Interventions - und Sanktionsinstrument gegenüber kreditsuchenden Ländern. Ein Bereitschaftskredit-Abkommen umfaßt einerseits eine Verpflichtung des Fonds, Währungskredite zur Verfügung zu stellen, andererseits einen „Letter of Intent“ seitens des betreffenden Landes, in dem es sich auf einen Maßnahmenkatalog festlegt, von dem der Fonds annimmt, daß er die Zahlungsbilanzprobleme beseitigt. Für hochverschuldete Länder ist die Vergabe offizieller und privater Kredite immer an den Abschluß eines solchen Abkommens gekoppelt.

SAL

(Structural Adjustment Loan, Strukturanpassungskredite): Diese Kreditform ist bei der Weltbank immer stärker ins Spiel gekommen. Mit ihnen werden nicht mehr wie traditionell üblich einzelne Projekte gefördert wie etwa Straßen oder Kraftwerke, sondern ganze Länder werden offenbar als Projekte behandelt. Die Länder werden kreditfinanziert wenn sie eben bestimmte „Anpassungsprogramme“ vornehmen.

Sonderziehungsrechte

(SZR): Dies ist das berühmte Kunstgeld, das der IWF für den Zahlungsverkehr seiner Mitglieder geschaffen hat. SZR können bei Notenbanken und einer Reihe anderer Finanzorganisationen in marktgängige Devisen umgetauscht werden. Der Wert eines SZW wird täglich anhand der aktuellen Kurse einiger Währungen berechtigt. Zum Korb steuern die USA 42 Prozent bei, die BRD 19, Japan, Großbritannien und Frankreich je 12 Prozent. Zur Zeit kann ein Staat ein SZR für 2,43 DM oder 1,30 Dollar kaufen. Dereinst geschaffen, um den ja ursprünglich als Binnenwährung gedachten, nunmehr aber als Weltgeld fungierenden Dollar zu entlasten, sollen die SZR jetzt aber nach dem Willen der USA nicht weiter ausgedehnt werden, um die Rolle des Dollars auf der Welt nicht zu schmälern.

Quoten

Das sind die Aktien, die die einzelnen Länder am Fonds halten, und da gibt es eben Groß- und Kleinaktionäre. Berechnet wird die Quote nach der Wirtschafts- und Finanzkraft eines Landes. Die Quote bestimmt über die Höhe der Kredite, die beim Fonds gezogen werden können und über die Stimmrechte in den Gremien. Derzeit beträgt die Summe aller Quoten 89,987 Milliarden SZR (rund 120 Milliarden Dollar). Der IWF diskutiert derzeit über eine 9. Quotenerhöhung, die aber bislang an der derzeitigen Quotenverteilung selbst scheitert. Weil für eine Quotenerhöhung 85 Prozent der Stimmen erforderlich sind, die ablehnenden USA aber aufgrund ihrer Finanzkraft allein 19 Prozent der Stimmen innehaben, läuft zur Zeit gar nichts. Darüber hinaus sind allerdings auch die BRD und Großbritannien dagegen.

Noch einmal, wer wieviel bei IWF und Weltbank zu sagen hat:

USA19,14%

Großbritannien6,63%

BRD5,79%

Frankreich4,81%

Japan4,53%

Saudi-Arabien3,44%