Für 200.000 Mark zwei Tage über'n Dobben

■ Warum die Linie 10 wieder fährt und dann erstmal wieder nicht mehr

Im Juni haben die Geschäftsleute am Dobben einen freundlichen Brief bekommen: Baustelle wg. Erneuerung der Kanalisation. Wir bitten um Ihr Verständnis... „Das Amt ist bemüht, die umfangreichen Arbeiten kurzfristig fertigzustellen...“ Klare Termine und Abschnitte waren genannt, vier Baubereiche sollten „vom 14.6.1988 bis ca. 30.7.1988“ eingerichtet werden. Die Kanalisation mußte erneuert werde, seit Wochen herrscht das Chaos auf den paar hundert Meter Dobben, Baufahrzeuge, Fußgänger, verlorene Kraftfahrzeuge quetschen sich an den tiefen Ausgrabungen entlang, Baufirmen kassierten serienweise Anzeigen wegen Ordnungswidrigkeiten. Und wenn ein Anwohner moserte, dann erklärte der freundliche Herr vom Stadt- und Polizeiamt: „Wir könnten Ihnen auch einen Eimer in den Vorgarten stellen, zum Scheißen. Alle zwei Wochen holt das Amt für Stadtreinigung den ab!“

Seitdem warten die Leute am Dobben geduldiger, neue Nachricht vom Baustellen-Ende kam nicht, das war auch nicht nötig: Die Baustelle blieb und wuchs und blieb. Sichtlich. Löcher zu graben ist offenkundig einfacher als Löcher sachkundig zu verfüllen.

Aber das Ende ist nun absehbar, nach langen straßenbahnlosen Wochen soll die Linie 10 heute wieder fahren. Am Dobben, ausgerechnet vor dem Fenster der taz-Redaktion, wurde dafür in den letzten Tagen eine Weiche eingebaut. Ein paar hundert Meter weiter ist eine zweite. Der Fall ist eindeutig: Hier soll die Straßenbahn das zwei Meter tiefe Bauloch umfahren.

Als gestern um 11 Uhr der Probelauf für die neue Streckenführung feierlich begutachtet werden sollte, wurde vor Ort lautstark gestritten. Denn die Baufirmen hatten der Straßenbahn versprochen, daß die ab 24.9. wieder fahren kann - einspurig. Die Baustelle wollten sie von Rad- und Gehwegen aus weiter betreiben. Dies aber, sprach der Leiter der Bremer Verkehrsbehörde, Klaus Hinte, kommt nicht in Frage. Schon in den letzten Wochen haben Baufahrzeuge auf den Schienen gestanden, wo eigentlich „Straße“ gespielt werden sollte, die Autos drückten sich über die Gehsteige, die Radfahrer wichen auf die Straße aus - dort schwenkten die Bagger... „Den Bauzustand, den wir jetzt vorfinden, hätte es nicht geben dürfen...“, erklärt Hinte. Und: „Ich laß da keine Leute totfahren.“ Ergebnis: Die Straßenbahn fährt nur Samstag und Sonntag auf den Sonder-Weichen. Dann kommen die wieder raus. Kostenpunkt: 200.000 Mark.

Und warum das Ganze? Die Behörde war davon ausgegangen, erklärt Hinte, daß die Baustelle bis zum März 1989 bestehen bleibt. Die Baufirmen waren einfach zu schnell.

K.W.