Pschschscht, Polizei-Geflüster

■ Warum 97 Seiten Polizeifunk-Protokolle unter Verschluß gehalten werden / Ein Friseur hört meistens möhr / Einblicke in geiselige Realität aus dem Frisier-Stuhl

Die Schreibkräfte müssen ein wenig ratlos gewesen sein, wie sie die Geräusche der Sektkorken in Worte fassen sollten, sagte prickelnd der Friseur am morgendlichen Telefon. Er wetzte sein Rasiermesser.

Wann?, fragte ich mit einem verstohlenen Blick auf den Wec

ker. Wann würde ich unserem Informanten beibringen können, daß er nicht um zwanzig vor acht anrufen sollte? Was meinst Du, als die Geiselgangster mitsamt dem Bus die Stadt verlassen hatten, macht es auf dem Tonband pschschscht... antwortete der Friseur ganz spritzig wach. Muß richtig feucht geworden sein. Möller war richtig froh, daß er den Fall außer Landes hatte, und der Staatsanwalt Bock (von Polach) verstand gar nichts mehr.

Und das ist alles auf Band, er war um diese Uhrzeit nicht zu stoppen. Wie die Korken knallen und der ganze Jubel. Fein säuberlich protokolliert, Wort für Geräusch. Weil die Polizei ja auch eigene Überwachungsanlagen hat. Langsam dämmerte mir was.

Das liest sich ganz geil, sagte der Friseur mit sektischem Pathos. Da hört man einen Polizisten über Funk: „Hilde, halt die Kartoffeln warm, es geht heut wieder mal was länger.“

Ein anderer schnauzt seine Freundin an: „Wir sind hier im dicksten Geiselkrimi, und du willst Beziehungsgequatsche“.

Und dann die Stimme vom Gei hier bitte den

Friseur

sel-Meyer: „Nur ganz ruhig da draußen, Männer, wir wollen nichts übereilen.“ Aber wieso haben wir bis jetzt noch nicht...

Ich kam ins Schleudern, weil ich dachte, wir hätten bereits in der taz alle Funkprotokolle gebracht. Und schließlich als erste immerhin.

Ja schon, aber es gab halt jede Menge Funkkontakt, und der ist ganz voll daneben, verstehste, der Friseur rülpste kleine Perlchen. Da wispert ein Polizist: „Ich hab mir den Knöchel verstaucht, als ich mich an den Bus ranschleichen wollte.“ Ein ande

rer knirscht hörbar mit den Handknochen: „Die würd‘ ich genauso versohlen wie meinen Sohn, die hätten nix zum Lachen bei mir.“ Und dann wieder: „Is echt spannend hier, hoffentlich gehts bald richtig los.“

So ein Friseur hat's eben nicht schwör, wenn er sich direkt an der Info-Quelle laben kann.

Und dann die vielen Pausen, sagte mein Friseur, und spielte auf das lange Überlegen in der Einsatzleitung an. Auf die lange Leitung...

„Hast gehört, da ist grad ein Schuß gefallen“, ruft einer über den Polizeifunk, als wäre das eine private Übertragung von den Dreharbeiten für den nächsten Tatort, „ein Radio -Reporter hat das seiner Anstalt gemeldet..“

Und das ist alles auf Band?, fragte ich nach. Schämen sich die nicht?

Eben. Der Friseur mußte seine morgendliche Schampus-Flasche geleert haben. Einer hat gerufen: „Ich glaub, die Pistolen der Gangster sind echt.“

Au backe, konnte da der Friseurbefrager Ali nur noch erwidern.