Kippen weg!

■ Von einer, die auszog, sich das Rauchen abzugewöhnen

Das Schlucken bleibt im ausgetrockneten Halse stecken. Das fröhliche „Guten Morgen“ verröchelt zu einem kaum hörbaren Gekrächze, und der linke Fuß kribbelt so komisch. Das sind die Tage, an denen mir der kalte Angstschweiß ausbricht und der heroische Beschluß gefaßt wird: „Heute höre ich mit dem Rauchen auf!“ - Als hätte man es nicht schon x-mal erfolglos probiert. Da! Die Rettung: „Kippen weg“ verspricht eine unscheinbare Meldung in der Zeitung.

Das Gesundheitszentrum Kreuzberg bietet seit Anfang des Jahres kostenlos Raucherentwöhnungskurse an. Zehn Wochen treffen sich rund 15 Dauerqualmer jeden Montagabend für zwei Stunden, um der dicken Luft den Kampf anzusagen, unter der Anleitung von zwei Sozialpädagoginnen. Vor dem ersten Termin inhaliere ich tief und genüßlich eine Fluppe, mit dem unguten Gefühl, es könnte die letzte sein.

Aber es kommt alles anders als erwartet. Im Gesundheitszentrum beäugen sich skeptisch zehn RaucherInnen (bei einem beult die linke Hemdbrusttasche verdächtig viereckig). Ganz „gruppendynamisch“ werden Namensschildchen gebastelt, und dann löst die erste Frage der Kursleiterinnen ungläubiges Erstaunen aus.

„Wann machen wir heute eine Zigarettenpause?“ Nach langem Zögern schlägt eine Teilnehmerin mutig vor: „Och, brauchen wir doch gar nicht, oder?“ „Klar“, stimmen ihr die anderen heldenhaft zu. „Wozu sind wir denn hier?!“

Nachdem dieses Problem vom Tisch ist, soll jede/r reihum beichten, wie lange er/sie raucht, warum und was man so vom Kurs erwartet. Jedes „Geständnis“ ruft Verständnis hervor. Es wird weise mit den Köpfen genickt. Das Laster verbindet, die Suchtschicksale ähneln sich.

Die Hauptgründe für den ersten Schritt zum Raucherentwöhnungskurs sind: die Gesundheit, das zunehmende Rasseln der Bronchien. Kinder; die ewig verqualmte Bude ist für sie eine Zumutung. Und die Zunahme der „militanten Nichtraucher, sie diskriminieren und verdrängen die 'Süchtigen‘ und 'Stinkenden‘ auf Klo oder Balkon“. Fast alle RaucherInnen zündeten sich ihren ersten Glimmstengel im Zuge einer pubertären Profilneurose an und barzen heute zwischen zehn und fünfzig Zigaretten am Tag.

DIe Leiterinnen (selbstverständlich frei vom Laster) stellen den „Fahrplan“ für die nächsten Wochen vor. Das „Nichtrauchertraining“ wurde von Wissenschaftlern am Max -Planck-Institut entwickelt. Dabei soll das Rauchverhalten schrittweise selbst kontrolliert werden. Das heißt, in den ersten zwei Wochen wird weiter „gesüchtigt“ wie bisher. Die TeilnehmerInnen erhalten einen kleinen roten „Quittungsblock“, in den sie „gewissenhaft“ ihren täglichen Zigarettenkonsum eintragen sollen. So soll jede/r feststellen, in welchen Situationen die Zigarette wie von selbst in die Finger fällt. Bei Streß, Ärger oder Geselligkeit?

Am Ende des ersten Treffens sind alle erleichtert, daß wir noch so glimpflich davongekommen sind. Beim nächsten Mal sollen die jeweiligen Erfahrungen besprochen und diskutiert werden. Wieder im U-Bahn-Schacht, fällt mir - jetzt hochsensibilisiert - das bunte Plakat in die Augen „Ich rauche gern“. Verdammt nochmal, ich auch.

PS: Ich rauche immer noch. Am zweiten Treffen konnte ich nicht teilnehmen. Aber laut Trainingsprogramm sollen 67 Prozent der ehemals starken Raucher innerhalb von sechs Wochen zum Nichtraucher geworden sein, und 96 Prozent rauchten am Ende des Kurses weniger als zehn Zigaretten täglich. Na bitte!

Ragna Reissert