Hinderliche Libido-Folgen

Allerlei Treibgut bei den olympischen Segelwettbewerben  ■  FLIPS & FLOPS

Wer „von seiner Libido dazu getrieben wird, den Notwendigkeiten der Natur nachzugeben“, formulierte jetzt ein Beamter des koreanischen Gesundheitsministeriums mit bürokratischer Lustfülle, der möge doch um Himmels willen, auch als Olympiasportler, zum Gummi greifen. Der Rat wird offensichtlich vielfach ernst genommen, wenn die Natur halt ihre Forderungen stellt.

Der Berliner Surfer Dirk Meyer nämlich hat von seinen Wettfahrten auf dem Regatta-Gelände vor dem koreanischen Pusan Bestürzendes zu berichten. Neben allerlei Abfällen verschiedenster Art haben sich als besondere Störenfriede mehrfach schon Kondome in seinen Füßen verfangen. Das klingt zwar nicht sehr appetitlich, war aber sportlich weniger hinderlich als ein großer Plastiksack von anderer Funktion, in das sein Surfbrett hineinbrauste und alle Fahrt nahm. Meyers Klagen lenken unseren Blick auf die olympischen Wettkampfbedingungen der Segler schlechthin. Fern von den vollverklappten Gewässern der Heimat, hatten sich die Segler aus der Bundesrepublik aufgemacht, um in unbefleckter koreanischer Natur olympisch zu bestehen. Ein illusorisches Vorhaben. Schon vor Beginn der Rennen fanden sie überzeugte Landratten als Organisatoren und Kampfrichter vor, denen schon kleinere Wellen die grüne Farbe ins Gesicht trieb und die gute koreanische Küche aus dem Magen.

Die Seglersleut entdeckten riesige Abwasserkanäle, die über das gesamte Regatta-Gelände einen solchen Gestank verbreiten, daß der Deutsche Segler-Verband ernsthaft erwog, mit Sauerstoffmasken der aromatischen Kloake zu trotzen. Weil eine solche Vermummung jedoch sportlich von Nachteil gewesen wäre, starteten die Segler letztendlich doch, zumindest gesichtsmäßig, nackt in den Wind.

Nach der gasförmigen Unbill kam die feste. Dem 470er der Seglerinnen wickelten sich dahintreibende Abfalltüten um das Ruder, warfen dieses erst herum, dann das Boot zurück. Komplett blockiert wurde die Ruderanlage des deutschen Tornados durch ein Gewirr von herumschwimmenden Seilen. Bundestrainer Stohl bescheinigte den Koreanern, „eines der dreckigsten Reviere der Welt“ zu präsentieren.

Kein Zweifel, Rasmus meint es nicht gut mit den Deutschen. Doch er gibt jedem, was ihm zusteht. Dem Bio-Bauern Albert Batzill vom Bodensee schickte er am Mittwoch passendenderweise eine Kiste aus Holz unter den Flying Dutchman, die sich so verkeilte, daß der Vorschoter über Bord mußte, um sie loszufummeln - da war der erste Platz dahin. Tags zuvor war der Bodenseeler nach einer direkten Attacke der Natur sogar gekentert, als sein Boot, so Batzill, „auf einer Jahrhundertwelle einen Salto gemacht“ hatte.

In einer Zeit, die menschliche Immunsysteme wie globale Ökosysteme gleichsam bedroht sieht, stellt die Natur gerade demjenigen angemessene Aufgaben, der sich nicht beizeiten um globale Verhütung gekümmert hat, als er seiner industriellen Libido so rücksichtslos nachgegeben hat. Für den segelnden Menschen hat sie sich nun eine besondere Gemeinheit ausgedacht: die maritime Müllkippe von Pusan.

Bernd Müllender