Die mutmaßliche Siemens-Connection

■ Die Gerüchte-Küche dampft: Verbündet sich der Bremer Senat für viel Geld mit dem Siemens-Konzern, um bei MBB einen Fuß in der Türe zu behalten? / Siemens darf den öffentlichen Dienst mit tausenden von PCs ausrüsten

Es gibt ein neuartiges, strenggehütetes Gerücht um Bürgermeister Wedemeiers Wirtschaftspolitik, und das geht so: „Wedemeier hat einem intimen SPD-Kreis erzählt, daß er mit einem Siemens-Manager ein Geheimabkommen geschlossen hat. Eine ganz heiße Sache. Der Bremer Senat verpflichtet sich darin, Siemens am Standort Bremen enorme Zugeständnisse zu machen. Als Gegenleistung hat der Siemens-Manager zugesagt, daß sein Unternehmen im Aufsichtsrat von MBB stets für bremische Belange stimmen wird. Wedemeier hat das Papier mit Unterschrift in seinem Panzerschrank.“

Wedemeier will's

nicht gewesen sein

So ein brandheißes Gerücht, garniert gar mit der präzisen Ortsangabe „in Wedemeiers Panzerschrank“, wird natürlich von neugierigen ReporterInnen gerne aufgegriffen. Aber wie solch einen Genossen-Klatsch bestätigt bekommen: Bürgermeister Klaus Wedemeier jedenfalls will nicht Urheber des Panzerschrank-Gerüchts sein. „Da wissen Sie mehr als ich,“ sagte er, bevor er den Hörer etwas abrupt wieder einhängte.

Da hilft es der Reporterin nur, sich in die verzwickte Welt der wirtschaftlichen Fakten zu stürzen. Genauer: In die Bremer MBB-Interessen einerseits und in die Bremer Siemens -Förderung andererseits.

Zunächst die verschachtelten Bremer Interessen im Aufsichtsrat der „Messerschmitt-Bölkow-Blohm GmbH“ (MBB), die bekanntlich mit einem ihrer Werke in Bremen vertreten ist und die mit der Daimler-Benz-AG einen neuen Großaktionär erhalten soll: Will Bremen nun auch nach dem geplanten Groß -Einstieg von Daimler im MBB-Aufsichtsrat über den Standort Bremen mitbestimmen können, muß es zuerst durch eine millionenschwere Kapitalaufstockung dafür sorgen, daß es seinen 10-Prozent-Anteil und sein Aufsichtsratsmandat bei

MBB behält. Dieser Zehn-Prozent-Anteil alleine nützt Bremen jedoch herzlich wenig, um bei Standortentscheidungen mitreden zu können. Denn dafür braucht Bremen eine Sperrminorität von 18 Prozent der Stimmen, sprich: Bremen braucht zum Abstimmen eine Partnerin. Bisher hatte sich Bremen für den MBB-Aufsichtsrat bereits mit den Unternehmen Bosch und Allianz zusammengetan. Doch diese beiden Verbündeten reichen Bremen künftig nicht aus, da sie - wenn Daimler-Benz sich breit macht - mit Bremen gemeinsam nur noch maximal 13,32 % (statt bisher 19,02 %) Prozent der Anteile zugestanden bekommen.

Neue,

stimmberechtigte

Partnerin gesucht

Bremen braucht also eine neue Partnerin, und diese Partnerin könnte das Bundesland Hamburg sein. Doch Hamburg stimmte bisher schon nicht mit seiner Hanseschwester Bremen, sondern mit dem schwarzen CSU-Bayernland und signalisierte bisher auch für die Zukunft keine Änderung seiner Vorlieben.

Vor diesem Hintergrund bekommt das „Wedemeier-Siemens„ -Gerücht plötzlich Plausibilität, weil es als künftige Partnerin die Firma Siemens ins Spiel bringt. Die Firma Siemens hält derzeit einen mittelbaren Anteil von 9,32 Prozent an MBB (vermittelt über die Industrie -Beteiligungsgesellschaft mbH 'Fides‘). Könnte Siemens nun seinen MBB-Anteil durch eine Kapitalerhöhung bei 9,32 Prozent halten, und könnten sowohl Siemens als auch Bremen Vertreter in den neuen MBB-Aufsichtsrat entsenden, verfügten beide Vertreter rechnerisch über 19,32 Prozent der Stimmen und damit über die nötige Sperrminorität (die bei 18 Prozent liegt).

Doch jetzt stellt sich die entscheidende Frage: Was hat Bremens Bürgermeister Großartiges zu bieten, was einen alternden Weltkonzern wie Siemens dazu

bewegen könnte, seinen zentralen MBB-Aufsichtsratsvertreter ausgerechnet für bremische Interessen abstimmen zu lassen?

Die „System

Entscheidung“

Auch hier kennt die Gerüchteküche ein vielsagendes Stichwort: „System-Entscheidung“. Bereits Anfang des Jahres habe sich Bremen entschieden, der abgehalfterten Firma Siemens gebührend entgegenzukommen und für die 40.000 Beschäftigten im öffentlichen Dienst - trotz attraktiverer Konkurrenz - ausschließlich Siemens-Computer zu bestellen. Dies sei für Siemens ein überregional bedeutsames „Pilotprojekt“, da die Firma mit Bremer Hilfe eine neuartige Soft-Ware für die öffentliche Verwaltung entwickeln könne, die ihr endlich zu den langersehnten Aufträgen im In- und Ausland verhelfen könne.

Der Leiter des bremischen Rechenzentrums, Ernst Schwarzer, betont dagegen: „Die Entscheidung für Siemens ist aus rein sachlichen Gründen gefallen.“ Siemens habe als einzige Computer-Firma eine „benutzerfreundliche Bedieneroberfläche“ zu bieten gehabt. Das Siemens-Programm ermögliche es den öffentlich Bediensteten, auf ihrem Bildschirm genau das zu sehen, was danach auch aus dem Drucker zum Vorschein komme. Zwar habe Siemens nur einen Prototypen vorzeigen können, doch die Firma wolle diesen Prototypen zur Serienreife bringen. In 1 1/2 Jahren solle deshalb eine neue Ausschreibung erfolgen, bei der sich die Konkurrenzfirmen IBM, Wang und Nixdorf selbstverständlich wieder bewerben könnten.

Siemens spanisch

Einem Bremer Computer-Spezialisten, der gerne anonym bleiben möchte, kommt diese Erklärung „spanisch“ vor. „Das ist doch typisch Siemens: Die hinken hinter der Entwicklung her, können nicht das, was die Konkurrenz schon kann und kommen dann mit

einem Prototypen.“

Abgesehen von der „System-Entscheidung“ werden gern noch folgende bremisch-siemensianische „Kooperationen “ aufgezählt: Am 1. Oktober will der Bremer Senat mit Siemens und der Computer-Firma PDV eine Firma gründen, die Computer -Programme für die öffentliche Verwaltung entwickeln und vermarkten soll. Diese Firma soll „Hec“ heißen: „Hanseatische Software-Entwicklungs- und Consulting GmbH“. Sie hat bereits Kritiker auf den Plan gerufen, die monieren, daß diese Firmengründung auf eine „Teilprivatisierung des öffentlichen Dienstes“ hinausläuft (vgl. taz vom 12.8.88).

Noch eine weitere Kooperation ist verabredet: Die senatseigene „HIBEG“ beschloß vor kurzem, für 4,31 Millionen Mark ein Büro- und Lagergebäude an den Hochschulring zu bauen, damit Siemens sich dort bequem einmieten kann - mit seinem „Service-Zentrum für Personal-Computer“, das in das ganze nördliche Niedersachsen ausstrahlen soll.

Wenn jedoch eine dieser Kooperationen von Bremen bis hinein in die bayerische Siemens-Zentrale ausstrahlt, dann wohl nur die erstgenannte millionenschwere „Systementscheidung“ für den öffentlichen Dienst.

Davon, daß sich die Firma Siemens gerne über den Senat in „Systementscheidungen“ einmischt,

weiß ein universitärer Computer-Fachmann einige Lieder zu singen. Vor zehn Jahren etwa hatte die Universität einen hochmodernen Großrechner bei der Firma „Borroughs“ bestellt. Obwohl das neue „Borroughs„-Gerät schon frischgeliefert im Uni-Keller stand, ließ es die Unileitung nach Siemens -Interventionen wieder zurückgehen. Während „Borroughs“ auf Schadensersatz klagte, durfte Siemens seinen - weniger leistungsfähigen - Rechner im Uni-Rechenzentrum installieren. Der „Spiegel“ griff die Story damals auf, die genauen „Umstände“ des Deals konnten jedoch niemals ganz aufgeklärt werden.

Barbara Debus