Verbotenes Trommeln - erlaubtes Trommeln

Das Protesttrommeln gegen den IWF wurde verboten - und dann als Protest gegen das Verbot doch noch genehmigt / Die anschließende Spontan-Demo besichtigte die Banker im Kempinski / Straßentheater gewaltsam abgeräumt  ■  Aus Berlin Wolfgang Gast

Ein Novum in der Berliner Polizeitaktik: Erst verbot man die IWF-kritischen Kulturaktionen, die das Kreuzberger „Büro für ungewöhnliche Maßnahmen“ angekündigt hatte, und ließ sich das Verbot vom Verwaltungsgericht bestätigen. Und dann genehmigte man Samstag abend den rund 500 Leuten ihr „Trommeln in der Nacht“ als eine „spontane Protestdemonstration“ gegen das Verbot eben dieser Veranstaltung. Verstehe das, wer will.

Deeskalierend wirkte es allemal. Zur Entspannung hatte allerdings schon zuvor die erheiternde Begründung des Verwaltungsgerichts beigetragen, die von den Veranstaltern über Megaphon verlesen wurde. Immer wieder vom Trommeln auf Bongos, Kochtöpfe oder Konservendosen, von Trillerpfeifen und Rasseln unterbrochen, erfuhren die am Fuße der altehrwürdigen Kaiser-Wilhelm-Gedächtnis-Kirche Versammelten endlich, wozu sie in Wirklichkeit hergekommen waren: um durch die Vielzahl von Aktionen die Polizeitruppen zu „zersplittern“ und um die Touristenattraktion Breidtscheidplatz zu „negieren“. Einerlei - auch wenn die Büromenschen nun ankündigten, ihre „ungewöhnliche Maßnahme“ könne leider nicht stattfinden - nach Hause gehen wollte niemand. Und so begaben sich die verbotsgeschädigten Veranstalter ein zweites Mal zur Polizei - diesmal direkt zum Einsatzleiter und seiner Wanne. Und siehe da: Nach Funkkontakt mit höherer Stelle durfte auf einmal getrommelt werden - als Protest gegen das Verbot, das gar nicht mehr existierte.

Ohne daß dazu aufgerufen wurde, formierte sich gegen 21.30 Uhr ein Zug auf der Straße. Die Demonstration führte über den Kürfürstendamm und dann zu einem Anti-IWF-Fest in die Technische Universität.

Über weite Strecken war auch den meisten TeilnehmerInnen unklar, wohin der Umzug gehen sollte. Eine spontan gebildete „Demonstrationleitung“ hatte auf die Frage nach der Demo -Route wenig Einfluß. Die DemonstrantInnen, deren Anzahl in kurzer Zeit auf über zweitausend anwuchs, veranstalteten vor den Hotels für die dort wohnenden Banker der Weltbanktagung ein gellendes Pfeifkonzert. Immer wieder skandierten sie „IWF - Mörderpack“ und sangen auch schon mal die „Internationale“. Viele Bewohner der anliegenden Häuser bergüßten den Umzug mit Applaus. Als der Demonstrationszug das Nobelrestaurant „Kempinski“ erreichte, ließ die Geschäftsleitung ganz hektisch die Eingangstüren schließen und die Vorhänge zuziehen. Die Demonstranten hatten sich an den Scheiben die Nase plattgedrückt und die Gäste, darunter vermutlich Teilnehmer der Weltbanktagung, mit Klopfen an die Scheiben irritiert.

Die Polizei wurde von der Demonstration ebenso überrascht. Zu Beginn beschränkte sie sich darauf, mit zwei Mannschaftswagen vorwegzufahren und den Verkehr zu regeln. Nach einer halben Stunde erschienen dann Sonderkommandos der Berliner Polizei, die den Demonstrationszug dann über weite Strecken Spalier laufen ließen.

Bereits am frühen Nachmittag hatte Polizei ein Anti-IWF -Theaterstück - ebenfalls vom „Büro für ungewöhnliche Maßnahmen“ angemeldet und prompt verboten - auf dem Breidtscheidplatz abgeräumt und dabei Tränengasspray eingesetzt. Zu teilweise heftigen Rangelein mit der Polizei kam es, als einzelne herausgegriffen und an den Haaren über den Boden zu den Mannschaftstransportern geschleift wurden. Die etwa 15 Festgenommenen wurden nach der Personalienfeststellung wieder freigelassen.

Als dann am Abend das „Trommeln“ noch spontan genehmigt wurde, hatten einige, auch ausländische, Journalisten den Eindruck, dafür sei unter anderem die Anwesenheit von verschiedenen Fernsehteams ausschlaggebend gewesen. Der Einsatz am frühen Nachmittag habe nur „negative Bilder“ geliefert, und die Einsatzleitung habe sich daher zu einer weniger imageschädigenden Taktik durchgerungen.

Aus den Reihen der TeilnehmerInnen wurde wiederholt süffisant auf das Fehlen der Autonomen hingewiesen. Diese trafen sich zeitgleich in Kreuzberg zu einem Plenum, um ihre eigenen Aktionstage vorzubereiten.