„Achtet darauf, wo das Geld hingeht“

Zwei philippinische Teilnehmerinnen des Gegenkongresses schildern ihre Eindrücke.  ■ I N T E R V I E W

Etta Rosales kam als Vertreterin von BAYAN, einer Föderation von Bauern-, Studenten-und Frauenorganisationen nach Berlin. Jessica Reyes-Cantos arbeitet für die unabhängige Wirtschaftsforschungsgruppe IBON.

taz: Was war euer Hauptanliegen in Berlin?

Jessica Reyes-Cantos: Ich bin gekommen, um hier ganz deutlich zu sagen: „Bitte vergeßt Asien nicht.“ Viele Leute hier identifizieren das Schuldenproblem mit Lateinamerika, aber gerade zur Zeit leiden wir auf den Philippinen sehr unter den Folgen der Schuldenrückzahlung, und wenn der Erdölpreis nicht steigt, wird es in Indonesien bald ähnlich sein. Die Aquino-Regierung hat die Bedingungen von Weltbank und IWF akzeptiert, die zu Marcos‘ Zeit kaum durchsetzbar waren, wie z.B. eine weitgehende Importliberalisierung. Die Jungs reiben sich jetzt die Hände.

Etta Rosales: Ich wollte darüber berichten, wie in Zusammenarbeit mit Weltbank und IWF die Situation in meinem Land immer drückender wird, und ich wollte sehen, welche Möglichkeiten es gibt, daß Gruppen aus der Dritten Welt und aus Europa eine gemeinsame Politik gegen den IWF machen.

Was sind eure Eindrücke hier?

Rosales: Als ich am Flughafen Tegel ankam, habe ich mich wie zu Hause gefühlt. So viele Uniformierte haben wir in Manila auch. Und mein Verdacht, daß die Polizei zum Schutz der Weltbank hier ist, war ja auch zutreffend. Andererseits diese Initiative, einen Gegenkongreß zu organisieren, das imponiert mir sehr. Es bringt eine Menge Gruppen aus der Dritten Welt zusammen, die ähnliche Erfahrungen mit ausländischem Kapital haben. Dazu kommen die Gruppen aus der westlichen Welt, die eine antiimperialistische Bewegung unterstützen. Überraschend fand ich diese Bewegung allerdings nicht, denn wir wissen ja, daß auch die Industrienationen eine innere Krise erleben. Noch vor ein paar Jahren war die Verschuldung - auch in unserem Land nur ein Thema für akademische Zirkel. Das hat sich inzwischen geändert. Der Gegenkongreß ist so etwas wie der Knotenpunkt für eine Bewegung gegen die ausländische Beherrschung der Dritten Welt.

Reyes-Cantos: Was mir fehlte, waren von der Vorbereitungsgruppe vorbereitete Resolutionen für den einzelnen Arbeitsgruppen.

Rosales: Ja, wir waren etwas enttäuscht. Denn solche Resolutionen können Ausgangspunkt für internationale Kampagnen sein.

Wie könnte der europäische Beitrag zu einer internationalen Kampagne aussehen?

Rosales: Ein Beispiel von den Philippinen: Auf der Bondok -Halbinsel - ein Gebiet mit zahlreichen Rohstoffen, darunter Gold und Uran - gibt die westdeutsche Regierung 30 Millionen DM in drei Jahren für ein integriertes Entwicklungsprojekt aus. Dieses Geld kommt natürlich von den deutschen Steuerzahlern. Seltsamerweise gehört auch der Bau einer Nationalstraße zu diesem Projekt. Eine Straße, die dem Militär Zugang zu aufständischen Gebieten verschaffen und gleichzeitig den Export von Rohstoffen - Minerale und Kokosnüsse - aus dem Gebiet möglich machen würde. Mit anderen Worten: Die kolonialen Handelsbeziehungen würden verstärkt. Vielleicht wäre es ja möglich, solche Zusammenhänge hier bekannter zu machen, damit die Deutschen ihre Regierung unter Druck setzen, diese Art von Hilfe an die philippinische Regierung zu stoppen.

Reyes-Cantos: Die Menschenrechtsverletzungen auf den Philippinen nehmen erschreckend zu. Selbst wenn es Schuldennachlässe gibt, sind wir nicht sicher, daß das Geld, das die Regierung spart, im Interesse des Volkes genutzt wird. Wir befürchten, daß das eingesparte Geld zum Aufstocken des Militärbudgets verwendet würde. Deswegen bitten wir die europäischen Organisationen, wachsam zu sein. Achtet auf die Menschenrechte auf den Philippinen. Zu Marcos‘ Zeiten konnte man jederzeit verhaftet werden, es gab auch Folterungen, aber man wurde nicht unbedingt umgebracht. Heute kann man ganz leicht aufgegriffen werden, und wenn dann die Leiche irgendwo anders auftaucht, weiß niemand, was zwischendurch passiert ist. Es entstehen immer neue Todesschwadronen, das Militär bewaffnet Zivilpersonen, und die Bundesrepublik leistet von allen europäischen Ländern die größte Entwicklungshilfe. Ihr solltet darauf achten, wo dieses Geld hingeht.

Interview: Clara Coq