US-Raumfähre als Pfusch discovered

Mitarbeiter des Space-Shuttle-Programms warnen vor Gefahren beim Start der „Discovery“  ■  Aus Washington Stefan Schaaf

Vier Tage vor dem in den USA mit Spannung erwarteten Start der Raumfähre „Discovery“ haben Mitarbeiter des Space -Shuttle-Programms vor bestehenden Gefahren gewarnt. Das Design der gigantischen Booster-Raketen, so drei Sicherheitsingenieure des Booster-Produzenten, dem privaten Rüstungskonzern Morton Thiokol, weise nach wie vor „potentiell katastrophale Probleme“ auf. Gleichzeitig beschuldigen die Angestellten den Konzern, ihre Warnungen zu ignorieren.

Ein Design-Fehler in den Boostern hatte vor 32 Monaten kurz nach dem Start zur Explosion der Raumfähre „Challenger“ und zum Tod der sieben AstronautInnen geführt. Die US -Weltraumbehörde NASA war wegen schlampiger Sicherheitsvorkehrungen und leichtfertigem Umgang mit dem Leben der Raumfahrer heftig kritisiert worden. Seitdem wurden mehr als hundert technische Veränderungen an der Raumfähre vorgenommen und neue Wege eingerichtet, auf denen NASA-Mitarbeiter ihre Warnungen vor potentiellen Risiken Fortsetzung auf Seite 2

direkt an die Spitze der Behörde weiterleiten können.

Die Nasa steht unter großem finanziellen Druck, ihr Raumfährenprogramm wieder in Gang zu bringen. Sie ist von zivilen Aufträgen abhängig, doch potentielle Auftraggeber haben sich verstärkt bei der internationalen Konkurrenz umgesehen.

Die Sicherheit, die die Nasa nun immer wieder betont, wird von einigen Angestellten beim Booster-Produzenten, Morton Thiokol, jedoch vermißt. In der CBS-Fernsehsendung „West 57th Street“, die am Sonntag abend ausgestrahlt werden sollte, beschuldigte ein Sicherheitsingenieur, Steven Agee, seinen Arbeitgeber, mehr als 200 schriftliche „Katastrophenrisiko-Analysen“ nicht an die Nasa weitergeleitet zu haben. Anfang des Monats habe er deswegen Klage beim Bundesgericht in Chicago eingereicht. Agee sagte in der CBS-Sendung, er würde „nie in einem Space Shuttle fliegen, das von einem Morton-Thiokol-Booster angetrieben wird“. Das gesamte Raumfährensystem sei „sehr unsicher“.

Die Nasa und das Kennedy Space Center in Florida, von wo aus die „Discovery“ abheben soll, berufen sich zuversichtlich auf die umfangreichen und von zahlreichen unabhängigen Wissenschaftlern überwachten Tests der neuentwickelten Booster. Diesem Optimismus widerspricht ein ehemaliger Morton-Thiokol-Ingenieur, der es wissen müßte: Roger Boisjoly war mit dem Design der sogenannten O-Ringe befaßt, die sich als Auslöser der „Challenger„- Katastrophe herausgestellt haben. Boisjoly hatte wegen seiner Zweifel am O-Ring-Design wenige Stunden vor dem Start der Raumfähre vor den Risiken gewarnt und von dessen Durchführung abgeraten. Heute sagt er, daß die Reformen bei der NASA nur „kosmetisch“ seien.