„mein theater wurde verboten“

taz sprach mit dem in bremen lebenden tschechischen Schauspieler ivan pokorny sein theater in prag wurde 1979 „aus ideologischen gründen“ verboten  ■  hier

foto nr. 3

ivan pokorny

taz: du bist ein freischaffender theatermann, pantomime, dozent - wie würdest du dich selbst bezeichnen?

ivan pokorny: die schublade sozusagen. ja, also - in der tschechei wird man in einem fach ausgebildet, und schluss. ich wurde als schauspieler zum grossen theater ausgebildet. sehr bald wurde mir aber klar, dass, was so produziert wird, meistens eher ein scheiss ist. es gibt die paradoxe situation, dass die stücke poltisch sein müssen. dadurch gelangen viele bühnenautoren zum politischen plakat. weil nun schauspieler und regisseure sich wehren, ein stück plakativ zu machen, obwohl es eindeutig politisch ist, wächst die professionalität der schauspieler und regisseure. ich habe dann 1977 mein eigenes theater gegründet. das war das erste professionelle freie theater in der tschechei, das seit 1968 gegründet wurde. es war ein zelttheater. viele leute sagten: „er ist bei der geheimpolizei, deswegen wurde

es ihm bewilligt“, aber nach zwei jahren wurde mein theater aus ideologischen gründen verboten. ich habe in prag als intendant theaterverbot bekommen.

warum?

die dramaturgie unserer aufführungen war unglaublich gefährlich. zum beispiel haben wir ein russisches stück aufgeführt, das probleme der polizei im zaristischen russland beschreibt, natürlich übertragbar für uns. wir haben in klassischen stoffen das politische thema gesucht. wir hatten einen guten zulauf. das war auch schon verdächtig: soviele leute, zelttheater, kein richtiges gebäude. nun hatte ich also spielverbot fürs theater. sowieso hatte ich keine lust, am staatlichen theater zu arbeiten, denn, wenn diese grossen häuser zu fabriken werden, hört für mich kunst auf. obwohl, es ist komisch, wenn ich das sage: heute, nachdem ich jahrelang erfahrungen mit kleinen theatern gesammelt habe, würde ich wieder gerne auf einer grossen bühne spielen. aber für mich - für einen theatermenschen - waren und sind die kleinen bühnen unglaublich wichtig für mein persönliches wachstum. dieser direkte kontakt zu den leuten ist ein unglaublich riesige schule. ich würde gerne weiter auf beiden

seiten stehen. das ist nicht einfach, weil das freie theater von den beiden grossen schon ein bisschen verachtet wird „die komödianten“ - und umgekehrt. die sogenannten alternativen sagen von den grossen theatern: „das sind die offiziellen, die mit ihrem geld wie die trottel umgehen“, was oft auch stimmt. ich glaube aber, es wäre ganz prima, wenn beide seiten vernünftig miteinander umgingen, was leider nicht möglich scheint.

warum bist du weggegangen?

ich hatte ja schon familie. das war als selbständiger nicht einfach. ich konnte zwar mit fernsehen und film gut verdienen. ich war schon fähig, für mich immer etwas zu organisieren. aber meine arbeiten wurden immer wieder verboten. wenn du soviel arbeitest und man macht sich soviel mühe... da gab es ein stück, das hiess „der lügenbaron“. da gab es ein kreuz. es musste überarbeitet werden. (du musst das ja einer kommission vorspielen, bevor du aufführen darfst.) nach der dritten vorführung war mir klar, die wollten mich „massieren“. der letzte anlass war, dass die russen das koreanische flugzeug abschossen. da haben wir uns gesagt: wir sind an einem ort mit lauter vollidioten. wr haben uns

um ein ausreisevisum bemüht.

das war .. ?

ende 83.

wo bist du mit deiner familie hingegangen?

nach österreich - wien. ich bin mit dem gefühl weggegangen, drei bis vier jahre mit theater nichts mehr zu tun zu haben, vielleicht nie mehr. dann, nach einem jahr, habe ich kontakt zum konservatorium gefunden. ich sprach ein schreckliches deutsch. die studenten haben mir deutsch beigebracht und ich ihnen szenische bewegungslehre.

deine theaterarbeit in prag war ja nicht nur politisch, sie war eigentlich ein politikum. siehst du deine theaterarbeit hier in deutschland auch als politische aktion?

mmm - ja. ich glaube, dass gutes theater zwei themen behandelt: politik und bumsen. wenn das also verbunden ist, dann ist das ausgezeichnetes theater. was ich nicht mag, ist das politisch-plakative.

du siehst das spiel selbst als den politischen akt.

ja. die deutschen haben damit riesige probleme. immer wieder diese plakative auseinandersetzung mit nazis, mit dem zweiten weltkrieg. so können diese themen die junge generation gar nicht ansprechen.

Fragen: j.m.o.