LEBENSZEICHEN ( 12 . Folge )

Donnerwetter! Die kaputte Stadt lebt! Sowas schafft Geltung! Weltweit! Potzprotz! Und wenn in den Anden die Erde bebt, wenn ein schwarzer Diktator sein Gold vergräbt, Berlin stellt ihn aus, den Milliardenrotz. Die Weltbank tagt bis spät in die Nächte, um zu beschließen, was vorher schon feststand. Obs den verarmten Ländern was brächte, ins Töpfchen das Gute, ins Kröpfchen das Schlechte, und ob vor Erbarmen sich doch noch ein Rest fand, davon schwatzen die Damen auf den Empfängen, und spielen Haus Coburg und Haus Hohenzollern. Die schwarzen Gesichter mit deutlichen Längen fordern und fuchteln in Sälen und Gängen, Diamanten auf welkenden Brüsten kollern. Sie alle wissen nicht, wie sie heißen, drum trägt hier ein jeder sein Namensschild. Man möchte sie meuchlings ins Elend schmeißen, man möchte sie schlicht in die Waden beißen – doch ob das den Hunger in Afrika stillt? Die Polizei ist Herr der Gelage, auf jeden Banker so zehn bis zwölf Cops. Der Staat überhört die peinliche Frage, ob das Budget den Spaß denn vertrage, im Schweiße des Angesichts eines Flops. Auf den Straßen die Spruchbänder, die nichts ändern, richtig, aber falsch, und Berufskrakeeler. Solidarität, ach Gott, mit den armen Ländern, plakatives auf Bändern und Ständern, und nun weiß er nicht mehr so recht, der Wähler. Seine mühsamen Steuern für den Weltzirkus hier, für die vergoldeten Ärsche in der Philharmonie? Da hat er keinen Zutritt, und er trinkt sein Bier, denkt an Milliarden und zählt still bis vier, das ist besser als drei. Und die dritte Welt schrie.

Prof. D.H., z.Zt. Hotel Steigenberger