JÜNGLINGE AN DEN HERD!

■ Cullbergbaletten Stockholm tanzt im Schiller-Theater „Park“ und „Feuerstellen“

Ein Park ist mehr als eine Hasenheide oder ein Tiergarten und etwas anderes als ein Wald. In einem Park stehen große Blutbuchen neben kegelförmig zurechtgeschnittenen Büschen. Auf zwei, drei brakigen Weihern dümpeln Enten. Kleine Bäche führen in die Wildnis. Hier stehen keine Bänke mehr. Die schiefen Bäume, einst von Menschenhand beschnitten, stürzen ein. Ganz besondere Parks haben ein Schloß, in dem ab und zu Feste gefeiert werden, oder gar ein Labyrinth.

Manchmal sind die Bäume auch weiß und sehen aus wie vom Himmel gefallene Tropfen. Hier ist der rote Prinz zu Hause,. In seinem glitzernden Hemd schwebt er von einem Baum zum anderen. Tags kommen viele Menschen in den Park, dann versteckt er sich. Männlein und Weiblein haschen sich unter den Bäumen, sie sind der Frühling. Wenn es schneit, beginnen die Alten zu husten. Mama, Papa, Oma und die Kinder, alle im Sonntagsstaat, versuchen ein Picknick. Doch Papa will nur Mama, und die Oma landet am Marterpfahl.

Obacht: Ein Auge tapst durch das Gebüsch. Tritt nicht darauf! Eine Nase folgt ihm, dann ein Finger, ein Ohr und ein Mund. Sie tanzen Ringelreihen. Die Internatsschüler mit ihren roten Fliegen toben sich in den Freistunden auf der Wiese aus. Kleine Kinder hüpfen niedlich, bis sie Schwein und Weihnachtsmann endlich geschlachtet haben. Heraus kommen die Geschenke: Große weiße Ballen ohne Inhalt. Der Parkwächter kehrt das Papier zusammen. Er hat kein Geschenk bekommen. Aber der rote Prinz findet noch eines: natürlich eine rote Dame.

Nachts wird es still im Park. Die Schlafwandler kommen ganz leise. In dieser Nacht sind es fünf Frauen in Nachthemden, Riesen und Libellen, Nackte und Blutstropfen, die mit Stangen auf der Erde schlagen.

Durch den Park tanzt das Cullbergballett nach den Einfällen ihres Choreographen Mats Ek. Ek, der als Schauspieler, Regieassistent bei Ingmar Bergmann gearbeitet hat, ist Spezialist für „dramatisches Ballett“. In seiner ersten Choreographie 1976 widmet er sich Woyzeck, 1977 folgte Soweto. Den Dauerrenner Schwanensee entzauberte er durch kahlköpfige, barfüßige Schwäne und Schwäninnen, und Giselle entführte er von der Waldlichtung in die Irrenanstalt. Der Park entstand im letzten Jahr. In neun Episoden tanzt die Truppe über die Bühne, die zwar spartanisch ausgestattet, aber umso schöner beleuchtet ist. Dazu erklingt aus dem Off eine Collage von Werken von acht Komponisten.

Für Feuerstelle (1985) benutzt Ek die Musik von Bausznern, Sibelius und Glass. Eine vierköpfige Familie erlebt ihre Tragödien in amerikanischen Kleidern aus dem Jahre 1932. John Boy rebelliert strampelnd gegen den Vater. Die Frauen tanzen Weh und Ach. Erst nackt am Feuer sind die vier eng umschlungen wieder fidel. Endlos wandern zwei Tänzer zu Glass, sie so Einstein on the Beach, er so schnell, daß seine Bewegungslinien sichtbar werden. Am Feuer finden sie den gemeinsamen Weg.

Aber wehe, das Militär entdeckt die Kraft des Feuers! Dann ist der Ofen aus, und die Leichen beginnen zu tanzen. Internatsfräulein schänden Tote. Erst als ein nur mit Höschen und Käppi bekleideter Jüngling lang genug einhergelaufen ist, beruhigen sie sich. Schließlich kniet der Ohsounschuldige vor der Feuerstelle nieder und bläst und bläst, und siehe da, das Feuer züngelt wieder munter.

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Claudia Wahjudi