Selbst die Landkarte lügt

■ Die lateinamerikanischen Demokraten und die Struktur der Ohnmacht

Eduardo Galeano

Die Geographie der Welt lernen wir auf einer Landkarte, die uns die Welt nicht so zeigt, wie sie ist, sondern so, wie ihre Herren gebieten, daß sie sei. Auf der herkömmlichen Weltkarte, die in den Schulen und in allen Erdteilen gebraucht wird, befindet sich der Äquator nicht in der Mitte: Der Norden nimmt zwei Drittel und der Süden ein Drittel ein. Skandinavien erscheint größer als Indien, obwohl es in Wirklichkeit um das Dreifache kleiner ist. Die Sowjetunion macht das Doppelte von Afrika aus, obwohl sie um einiges weniger umfangreich ist. Auf der Weltkarte umfaßt Lateinamerika einen kleineren Raum als Europa und wesentlich weniger als die Vereinigten Staaten und Kanada zusammen, obwohl Lateinamerika in Wirklichkeit zweimal größer ist als Europa und um einiges größer als die Vereinigten Staaten und Kanada.

Die Landkarte, die uns verkleinert, symbolisiert alles übrige: entwendete Geschichte, ausgeplünderte Wirtschaft, verfälschte Geschichte, alltägliche Usurpierung der Wirklichkeit. Die sogenannte Dritte Welt, von drittklassigen Menschen bewohnt, umfaßt weniger, ißt weniger, erinnert sich weniger, lebt weniger, sagt weniger.

Sie umfaßt nicht nur weniger auf der Landkarte, sie umfaßt zugleich weniger in den Zeitungen, im Fernsehen, im Radio. Weniger will besagen: Sie umfaßt nahezu nichts. Ab und zu wird Lateinamerika zu einer Modeerscheinung. Die Intellektuellen im Norden lassen uns dann vorübergehend ihre Bewunderung zuteil werden. Am Ende der fünfziger Jahre war Kuba an der Reihe. Am Ende der siebziger Jahre war es schließlich Nicaragua. Unter der einen oder anderen Täuschung, nämlich den Illusionen von den angeblich reinen Revolutionen, gab es die Guerilla von Che Guevara und andere romantische Heldentaten. Diese überschwenglichen Leidenschaften mündeten auf verhängnisvolle Weise in Ernüchterung und in öffentliche Verachtung. Wie im 16.Jahrhundert enttäuscht die Wirklichkeit die falschen Hoffnungen auf ein Eldorado.

Die Wirklichkeit ist so, wie sie ist, und nicht so, wie sie nach Maßgabe derer sein soll, die sie mit dem Himmel verwechseln, um sich später das Recht zu nehmen, sie mit der Hölle zu vertauschen und sie auf immer zur Hölle zu verurteilen: zur Hölle der Verachtung, zur Hölle des Schweigens. Die Faszination und die Verdammung sind zwei Seiten des gleichen Verhaltens, das die Wirklichkeit leugnet und dem die Achtung fehlt.

In einem vor einigen Jahren veröffentlichten Artikel, den ich mit offener Sympathie gegenüber dem Arbeiteraufstand in Polen schrieb, stellte ich eine Behauptung auf, die auf scharfe Kritik stieß. Trotz allem bleibe ich dabei, daß diese Behauptung richtig war. Ich sagte nämlich, daß man Lech Walesa, wäre er in Guatemala geboren, während des ersten Streiks aufgeschlitzt hätte, und sein Mord wäre den großen Tageszeitungen der Welt keinen Millimeter und den großen Fernsehanstalten keine Sekunde wert gewesen. Meinungsmacher

Guatemala leidet seit der Invasion von 19541 unter der längsten und systematischsten Abschlachtung in Lateinamerika. Die Meinungsmacher, die Aufbereitung und Aufnahme von Nachrichten im internationalen Maßstab kontrollieren, zucken mit den Schultern. In Guatemala gibt Blut nicht die geringste Schlagzeile her. Militärischer Terror und Elend werden als „naturgegeben“ betrachtet. Bei den Erdbeben ist das jedoch nicht der Fall: Als im Jahre 1976 die Erde erschüttert wurde und 22.000 Guatemalteken den Tod fanden, eilten Journalisten aus allen Teilen der Welt herbei. Von diesen Journalisten schenkten nur wenige ihre Aufmerksamkeit der Tatsache, daß in eben diesen siebziger Jahren mehr als 22.000 Personen in Guatemala von den vom Militär organisierten Todesschwadronen getötet wurden. Und kaum einer zeigte ein Interesse, sich darüber zu informieren, daß in einem einzigen Jahr mehr als 22.000 Personen gestorben sind: ermordet durch den Hunger, der ohne jedes Aufsehen zu erregen tötet. Armes Land, Land der Indios: Der Schrecken ist Gewohnheit.

In einer Welt multinationaler Programme und simultaner Satellitenübertragungen sind wir alle Nachbarn, aber, wie Orwell sagen würde, einige sind mehr Nachbarn als andere. Die Kommunikationen sind zentralisiert. Wieviel auch auf diesem Planeten sich ereignet, es entsteht eine Übersetzung in die Zentren der Macht, eine Übersetzung in die Sprache des universalen Systems der Lüge und eine Rückverwandlung in Bilder und Laute einer ungehemmten Verbreitung. Objektivität? Mißtrauen wir dieser Objektivität, die uns auf Objekte reduziert. Das Elend der Dritten Welt verwandelt sich in Ware. Die im Überfluß schwelgenden Länder konsumieren von Zeit zu Zeit, um sich selbst für das Wohlergehen, das ihnen beschert wurde, zu beglückwünschen.

Das universale System der Lüge praktiziert die Amnesie. Der Norden tut so, als ob er das große Los gezogen hätte. Aber sein Reichtum ist nicht das Resultat eines glücklichen Zufalls, sondern einer langen, ja sogar sehr langen historischen Usurpation, die von der Kolonialzeit herrührt und sich heutzutage in den verfeinerten Mechanismen der Ausbeutung potenziert. Je mehr auf den internationalen Schauplätzen die Reden nachhallen, welche Gleichheit und Gerechtigkeit hochhalten, desto mehr fallen auf den internationalen Märkten die Preise der Produkte aus dem Süden und desto mehr steigen die finanziellen Interessen aus dem Norden, der mit der einen Hand austeilt, was er mit der anderen Hand entwendet. Die Ausbeutungsmechanismen verpflichten den Süden dazu, die Rechnung für die Verschwendung des Nordens zu zahlen, eingeschlossen die Rechnung für die zerbrochenen Teller am Ende der Festtage: Über den Schultern der Peripherien des Systems werden die Krisen der Metropolen ausgetragen.

In den noch heute von den Indianern der Andenregion aufgeführten Theaterstücken über die Eroberung Amerikas sprechen die Pfarrer und Eroberer, indem sie die Lippen bewegen, jedoch ohne dabei Laute zu artikulieren. Die Sieger sprechen in dem Theater der Eingeborenen eine stumme Sprache. Was sagen uns heutzutage die Stimmen des internationalen Systems der Macht, die die herrschende Kultur propagiert? Was sagen sie uns über Dinge, die mit unseren tatsächlichen Bedürfnissen zusammenhängen? Die herrschende Kultur, die durch das Erziehungssystem und hauptsächlich, nämlich im weitaus größten Maße, durch die Kommunikationsmedien in Erscheinung tritt, enthüllt nicht die Wirklichkeit, sondern verhüllt sie. Sie unterstützt nicht die Veränderungen, sondern trägt dazu bei, sie nicht in Angriff zu nehmen. Sie regt nicht zur demokratischen Teilnahme an, sondern führt zur Passivität, zur Resignation, zum Egoismus. Sie schafft keine schöpferischen Menschen, sondern vermehrt die Bereitschaft zum Konsumieren.

Von Mal zu Mal nimmt das Empfangen von Meinungen gegenüber dem Bilden von Meinungen überhand. In dem Maße, wie sich die Mittel ihrer Ausweitung perfektionieren, enthüllt die herrschende Kultur ihren antidemokratischen Charakter und schränkt die Möglichkeiten der Öffentlichkeit zu schöpferischem Tun und teilnehmendem Handeln ein. Beispielsweise hat die überwältigende Verbreitung des Fernsehens eine Zersetzung zur Folge - eine Zersetzung, die, wie ich meine, unsere Volkskultur bis ins Innere trifft und die sich in einem großangelegten Angriff freisetzt, der die Umwandlung ganz Lateinamerikas in einen Vorort von Dallas zum Ziel hat. Dieses Ereignis ist gerade deswegen schwerwiegend, da in Lateinamerika die Volkskultur die wahrhaftigste nationale Kultur ist.

Man sagt, daß jeder Greis, der dort in den verlassenen Dörfern stirbt, eine brennende Bibliothek ist. Dank der Volkskultur, die das kollektive Gedächtnis weiterexistieren läßt und bereichert, sind wir Lateinamerikaner in der Lage, einige kardinale Merkmale unserer Identität zu bewahren. Die nachahmende und sterile offizielle Kultur, der einfältige Abklatsch der herrschenden Kultur, ignoriert entweder diese Merkmale, oder - vorausgesetzt, daß sie ihr bekannt sind verachtet sie. Daneben gibt es auch die Möglichkeit, daß die herrschende Kultur sie zutiefst fürchtet, denn diese Merkmale beziehen sich auf die Würde, auf die Einbildungskraft und auf andere Feinde der Mächtigeren. Befreiungskultur

Die Volkskultur ist von Natur aus eine Kultur der Teilhabe, das heißt sie ist von Natur aus demokratisch. Ihre Übermittlung geschieht vor allem durch eine mündliche Tradition; doch ihre Verbreitung und Wiederbelebung ist von Mal zu Mal schwieriger je mehr der technologische Prozeß diejenigen Orte der Kommunikation, in denen sie fortleben kann, einschränkt: die Plätze, die Cafes, die Bühnen, die Begegnungsstätten, die Märkte. Im Gegensatz dazu produziert das Fernsehen Abschließung, Trennung und Isolation: Es strahlt in eine einzige Richtung ohne Rückkehr aus: ausgehend von einem Sendegerät zu einer aufnehmenden Person, wobei diese Person die auf sie einstrahlenden Informationen und Gefühle wie konservierte Fleischwaren in sich aufnimmt.

Der Kampf gegen die der Demokratie feindlichen Strukturen, die Ohnmachtsstrukturen, zielt auf die Entwicklung einer nationalen Befreiungskultur, die imstande ist, die schöpferischen Energien der Menschen zu entfesseln und ihnen die Augen zu öffnen, damit die Menschen erkennen und auch sich erkennen können. Die Botschaften, die das Fernsehen in unseren Ländern ausstrahlt und die nichts anderes als Symbole sind, die die herrschende Kultur an die beherrschte verkauft, sowie Symbole der Macht, die uns erniedrigen, tragen nicht gerade viel zur Entwicklung dieser befreienden Kultur bei. Ich hoffe, daß man mich nicht falsch versteht. Die Aufdeckung der ideologischen Funktion des Fernsehens soll nicht eine Verwerfung des Fernsehens als solches bezwecken, sondern eine Zurückweisung des Fernsehens als eine gesellschaftlich legitimierte Droge, als ein das Denken herabsetzendes Valium; gleichermaßen kann sie nicht allein deswegen eine Verwerfung seiner Botschaften sein, weil diese aus den Vereinigten Staaten oder aus anderen Ländern stammen. Die Herkunft des Bandoneon

Der Nationalismus der Rechten, der die Geschichte rückwärts aufrollt, glaubt daran, daß sich die nationale Kultur durch ihren Ursprung bestimmt.

Gesetzt den Fall, es verhielte sich so, dann gäbe es keine andalusische Kultur, da die typischen Patios Andalusiens aus dem Römischen Reich stammen; die Gitter und besonders die Türgitter aus dem Florenz der Renaissance-Zeit; die blumenbestickten Umhängetücher aus der chinesischen Ming -Dynastie; die „Churros„2 sind arabisch und der „cante jondo„3 resultiert aus einer Vermischung von Zigeunermusik, arabischen Melodien und hebräischen Gesängen. Und im letzten Jahrhundert war es ein Deutscher, der das Bandoneon mit der Absicht konstruierte, eine Art tragbares Harmonium zu schaffen, das in die Lage versetzt, kirchliche Musik in seinem Land während der Prozessionen zu spielen. Aber das Bandoneon gelangte auch außerhalb Deutschlands und, bevor es in die Hände von Anibal Troilo (konnte nicht nachgewiesen werden) geriet, hatte es sich schon zum typischsten Instrument des Rio-Plata-Tango entwickelt, dessen bedeutendster Sänger, Carlos Gardel, in irgendeinem Ort, höchstwahrscheinlich aber in der französischen Stadt Toulouse, zur Welt kam. Die kubanische Spezialität „Daiquiri“ stammt von dem Zuckerrohr, den Kolumbus mitbrachte, von der Zitrone, die von Spanien herüberkam, und von den ausländischen Methoden der Verarbeitung von Zucker und Eis.

Die nationale Kultur bestimmt sich durch ihren Inhalt und nicht durch ihren Ursprung. Ist sie lebendig, befindet sie sich in einem ständigen Wandel, fordert sich selbst heraus, widerspricht sich selbst, empfängt fremde Einflüsse, die sie manchmal angreifen und auch manchmal bestärken und die zur gleichen Zeit als Gefahr und als Anreiz wirken. Die Negierung dessen, was uns negiert, beinhaltet keinen Grund, damit auch die Negierung dessen zu meinen, was uns nährt. Lateinamerika hat keinen Grund, sich den schöpferischen Errungenschaften von Kulturen zu verweigern, die sich im großen Ausmaße dank eines materiellen Glanzes entwickelt haben, der keineswegs fern von der gnadenlosen Ausbeutung der Menschen und der Erde gewesen ist. Wenn Lateinamerika dies machen würde, so wäre dies ein wirklichkeitsfremdes Vergehen und eine reaktionäre Dummheit. Der Antiimperialismus hat auch seine Kinderkrankheiten. Von der strukturellen Ohnmacht

„Wir sind für die Demokratie, aber die Demokratie ist nicht für uns“, sagte ein Bewohner der Außenbezirke von Buenos Aires, als er auf eine kürzlich durchgeführte Umfrage antwortete. Er ist einer der vielen, die den Tisch der großen Stadt decken und dazu verdammt sind, von ihren Speiseresten zu leben. In Lateinamerika ist der schlimmste Feind der Demokratie nicht das Militär, obwohl es das Möglichste tut, um als solcher zu erscheinen. Der schlimmste Feind der lateinamerikanischen Demokratie ist die ganze Ohnmachtsstruktur, die das Militär bewacht und die ihre Grundlage im ökonomischen System hat. Dieses System integriert ein umfangreicheres System, nämlich eine internationale Machtmaschinerie. Einer der Mechanismen dieser riesigen und komplizierten Maschinerie ist der sogenannte demokratische Maßstab (democracimetro), der darin besteht, zwischen dem größeren und dem kleineren Grad von Demokratie, der in jedem Land existiert, zu vermitteln. Im allgemeinen verbreiten die großen Kommunikationsmedien, die Meinungsmacher in dieser Welt, die Vermittlungsleistungen dieses Apparates und verwandeln sie in letztgültige Urteilssprüche des Westens.

Aber die Wahrheit des demokratischen Ausgleichs kann für die Opfer des Systems eine Lüge sein. Ich glaube nicht, daß die acht Millionen obdachlosen Kinder, die durch die Straßen der brasilianischen Städte vagabundieren, an die Demokratie glauben. Ich glaube nicht, daß sie den Glauben daran haben, da die Demokratie nicht an sie glaubt. Sie kennen keine Demokratie, an die sie glauben könnten. Die brasilianische Demokratie ist weder für sie gemacht worden noch ist sie für sie da, obwohl sie einige formale Anforderungen, die im Wesen des demokratischen Ausgleichs liegen, erfüllt, um damit den guten Anschein zu bewahren.

Nicht das, was sie ist, ist die Demokratie, sondern das, als was sie erscheint. Wir befinden uns vollkommen in einer durch Äußerlichkeiten geprägten Kultur. Eine derartige Kultur mißachtet die Inhalte. Allein das, was man sagt und nicht das, was man macht, zählt. Brasilien besitzt nicht die Todesstrafe und wird sie, der neuen Verfassung zufolge, auch nicht besitzen. Aber die Todesstrafe wird dauernd angewendet: Täglich werden durch Hunger tausend Kinder getötet, und durch Kugeln werden eine ungewisse Zahl von Menschen in den durch Gewalt geprägten Außenbezirken der Städte und auf den Latifundien, die von verzweifelten Bauern überfallen werden, getötet. Es wird allgemein angenommen, daß die Sklaverei seit einem Jahrhundert nicht mehr vorhanden ist, aber ein Drittel der brasilianischen Arbeiter verdient täglich kaum mehr als einen Dollar, und die Spitze der sozialen Pyramide ist weiß, während das Fundament schwarz ist: Die Reichen sind die Weißesten und die Ärmsten sind die Schwärzesten. Die brasilianische Regierung hatte im Jahre 1892, vier Jahre nach der Abschaffung der Sklaverei, angeordnet, alle Dokumente, nämlich Vorschriften, Anordnungen und Quittungen etc., der sklavenhaltenden Betriebe zu verbrennen, als ob die Sklaverei niemals existiert hätte.

Damit etwas nicht existiert, genügt es, zu erlassen, daß es nicht existiert. Am 14.Juli 1789 schrieb Ludwig XVI in sein Tagebuch: „Nichts Außergewöhnliches.“ Guatemalas Diktator Manuel Estrada Cabrera erließ im Jahre 1902 das Dekret, daß alle Vulkane des Landes nicht mehr aktiv seien, während zur gleichen Zeit Lava- und Schlammassen des in vollem Ausbruch stehenden Vulkans Santa Maria mehr als hundert Dörfer in der Umgebung Quetzaltenangos dem Erdboden gleichmachten. Im Jahre 1905 verabschiedete das kolumbianische Parlament ein Gesetz, das festlegte, daß in San Andres de Sotavento und in anderen Bezirken, in denen plötzlich ergiebige Erdölquellen aus dem Boden schossen, keinerlei Indianer wohnten: Die dort lebenden Indianer waren Illegale und deswegen konnten die Erdölgesellschaften sie ohne Strafandrohung töten und auf ihren Grundstücken bleiben.

In Uruguay regelt seit dem Ende 1986 das Gesetz über die Verjährung des staatlichen Strafanspruchs das Vergessen der Folterungen, der Entführungen, der Vergewaltigungen und der durch die letzte Militärdiktatur begangenen Morde, als ob diese Akte des Staatsterrorismus niemals existiert hätten. Gesetz über die Straffreiheit nannte es das uruguayische Volk, welches ihm mit 600.000 Unterschriften entgegentrat. Kurz vor der Verabschiedung dieses Gesetzes, das die Folterer freispricht, hatte Uruguay die internationale Konvention gegen die Folter, die zu deren Bestrafung verpflichtet, unterschrieben und ratifiziert. Das gleiche geschah in Argentinien. Die Konvention verneint ausdrücklich die Strafaussetzung aufgrund höherer Anweisung: Die argentinische Regierung unterschrieb und ratifizierte sie, doch unmittelbar darauf legalisierte sie die durch Gehorsam gegenüber höheren Stellen begangenen Folterungen. In unseren Ländern stimmen die internationalen Konventionen mit den nationalen Gesetzen überein. Aber es kommt vor, daß die einen befehlen, die Menschenrechte zu achten, welche die anderen zu verletzen gestatten; die einen täuschen ihre Existenz vor, während die anderen tatsächlich existieren.

Die lateinamerikanische Geschichte lehrt, den Wörtern zu mißtrauen. Im Jahre 1965 drangen die brasilianischen, die paraguayischen, die honduranischen und die nicaraguanischen Militärdiktaturen zusammen mit den amerikanischen „Marines“, in Santo Domingo ein, um die durch das Volk bedrohte Demokratie zu retten. Im Namen der Demokratie landeten im Jahre 1961 an der kubanischen Küste der „Playa Giron“ die Reaktionäre der Batista-Diktatur. Heute greifen die Reaktionäre der Somoza-Diktatur im Namen der Demokratie Nicaragua an. Der Präsident von Kolumbien spricht von Demokratie, während der Staatsterrorismus straflos mehr als 1.000 politische und gewerkschaftliche Oppositionelle im Jahre 1987 tötete. Dies alles geschieht im Einklang mit den zum Zweck der Aufstandsniederschlagung verfügten militärischen Instruktionen, welche die Schaffung paramilitärischer Organisationen vorsehen.

Die offizielle Sprache deliriert, doch dieses Delirium ist die Normalität des Systems. „Es wird keine Abwertung geben“, sagten die Wirtschaftsminister am Vorabend des Währungsverfalls. „Der Agrarreform gilt unser Hauptanliegen“, sagen die Landwirtschaftsminister, in deren Länder die übergroße Mehrheit der Menschen wegen der Preise oder des Analphabetismus keinen Zugang zu den Büchern hat. Freiheit des Geldes

Ist sie erfolgreich, dann spendet das System der Infamie Beifall, verfehlt sie ihr Ziel, dann wird sie getadelt. Wiedergutmachung kommt dem zu, der viel stiehlt, doch Ungnade kommt dem zu, der wenig stiehlt. Das System beruft sich auf den Frieden und praktiziert Gewalt. Es predigt dir die Nächstenliebe und hält dich zur gleichen Zeit dazu an, deinen Nächsten zu verschlingen, um überleben zu können. Die schizophrene Sprache erreicht einen der Höhepunkte ihres Wahnsinns, wenn sie, wie vor einiger Zeit durch die Verstaatlichung der Privatbanken in Peru offenkundig wurde, die Freiheit des Geldes mit der Freiheit der Menschen verwechselt. Die Ausdrucksfreiheit der Dichter wird auf die gleiche Ebene gestellt wie die Freiheit der Börsenspekulanten. Nicht nur in Lateinamerika, sondern in der ganzen Dritten Welt hat die Handelsfreiheit mit der persönlichen Freiheit nicht nur nichts gemein, darüber hinaus sind beide sogar miteinander unvereinbar. Um dem Geld vollkommene Freiheit zu geben, sperren die Militärdiktaturen die Menschen ein. Viel, zuviel Blut wurde im Verlauf der Jahrhunderte vergossen, damit dies schließlich zu einer Tatsache werde, die blind macht.

Man übt uns darin, nicht zu sehen. Die Erziehung verfehlt das Erziehen, die Kommunikationsmedien verfehlen die Kommunikation. Erziehung und Medien bringen uns dazu, die Katze für den Hasen zu halten.

Lateinamerika ist nach wie vor sich selbst ein Rätsel. Welches Bild gibt uns der Spiegel zurück? Bruchstücke, einander unverbundene Bruchstücke: ein zerstückelter Körper, der uns aufgibt, daraus eine gemeinsame Form zu bilden. Wir sind dazu erzogen worden, in den Spiegel zu spucken. Die herrschenden Kulturen, die Kulturen der herrschenden vom Ausland beherrschten Klassen erweisen sich als im hohen Maße unfähig, den Staaten, die sie zu vertreten vorgeben, ein Fundament zu geben. Es sind erschöpfte Kulturen, als ob sie schon viel zuwege gebracht hätten. Trotz ihres trügerischen Glanzes offenbaren sie die Opazität der lokalen Bourgeoisien, denen in ihrem unersättlichen Kopierdrang die schöpferischen Energien immer mehr verloren gehen. Nachdem sie unsere Länder mit falschen Pantheonen, mit falschen Versailles-Schlössern, mit falschen Loire-Burgen und mit falschen Chartres-Kathedralen übersät haben, vergeuden sie heute den nationalen Reichtum durch die Nachahmung amerikanischer Zurschaustellung und Verschwendungssucht. In großen Refugien und babylonischen Städten eingeschlosssen, ist die nationale Wirklichkeit oder all das, was sich in ihr den herrschenden Kulturen entgegenstellt, nur Gegenstand ihrer Verleugnung und Geringschätzung, wobei sie sich in der Tat darauf beschränken, als Transmissionsriemen der ausländischen Machtzentren zu funktionieren. Die Kinder kommen aus Paris in den Schnäbeln der Störche, und die Wahrheit kommt aus Los Angeles oder Miami in Videokassetten.

In der Mehrheit der Fälle orientiert sich diese Serienkultur daran, das Gedächtnis der lateinamerikanischen Völker auszuhöhlen, sie ihrer schöpferischen Kräfte zu berauben, damit sie sich selbst weder in ihrem wirklichen noch in ihrem möglichen Sein erkennen: Sie werden dazu gedrängt, die Zeichen ihres eigenen Verfluchtseins zu konsumieren und zu reproduzieren. Die Botschaften dieser Kultur übertragen dem grausamen Gesetz des Stärksten sterbliche Legitimität, und sie lehren uns, daß, wenn wir auch aufgeschmissen sind, dies noch einen Zweck erfüllt: weil wir fruchtbaren Boden dem kommunistischen Samen bieten, aus dem lediglich ein stachliger Dornbusch entsteht, und weil wir alle dumm, nichtsnutzig, nichtswürdig und feige sind und schließlich, weil im Grunde unsere Lage das Schicksal ist, das wir verdienen. Die mächtige, ja sogar übermächtige Ohnmachtsstruktur hat ihren Ursprung in der Ökonomie, ohne darin ihr Ziel zu haben. Tatsächlich besteht die Unterentwicklung in folgendem: Keineswegs ist sie allein eine statistische Angelegenheit, sie hat nicht allein ihren Grund in den gewaltsamen Widersprüchen, nicht in einem Meer der Armut und auch nicht in den Inseln des Überflusses. Nicht allein um diese Merkmale handelt es sich. Demgegenüber ist die Unterentwicklung vor allem eine Ohnmachtsstruktur, die aufgebaut wurde, damit die unterworfenen Völker nicht mit ihrem eigenen Kopf denken, nicht mit ihrem eigenen Herz fühlen und sich nicht mit ihren eigenen Beinen fortbewegen.

Nicht nur verleugnet das System die vor Hunger Dahinsiechenden, es versucht all das auszulöschen, was an sie erinnern könnte. Damit sie keine Zukunft haben, wird ihnen die Vergangenheit geraubt. Die offizielle Geschichtsschreibung ist von und für die Reichen, die Weißen, die Machos und die Militärs eingerichtet. Europa ist das Universum. Weniger oder nichts lernen wir von der präkolumbianischen Vergangenheit Amerikas, die verratene Geschichte Amerikas ist eine Geschichte, deren Würde kein Ende kennt. Keinen Tag in der Vergangenheit gibt es, an dem es nicht irgendeine ignorierte Widerstandshandlung gegen die Macht und gegen das Geld gegeben hätte, doch die offizielle Geschichtsschreibung erwähnt weder die Aufstände der Eingeborenen noch die Rebellionen der schwarzen Sklaven, oder sie erwähnt sie höchstens en passant als Handlungen ungehörigen Verhaltens (und niemals sagt sie, daß einige von Frauen angeführt waren). Die großen wirtschaftlichen und sozialen Prozesse bestehen nicht einmal als Hintergrund: Sie werden eskamotiert, damit die sogenannten Entwicklungsländer nicht bemerken, daß sie sich keineswegs entwickeln und damit der Anschein aufrechterhalten werden kann, daß sie aus der Entwicklung hergekommen sind. Der Grund hierfür liegt darin, daß sie im Verlauf einer langen Geschichte auf Kosten der Entwicklung derjenigen Länder, die sie für sich ausgenutzt haben, unterentwickelt gehalten worden sind. Was zählt ist das Auswendiglernen des Datums der Kriegsschlachten und der genauen Geburtstage der Führer. Herausgeputzt wie für Fest und Parade haben diese stählernen Männer durch göttliche Eingebung immer für sich alleine gehandelt - gefolgt von dem getreuen Schatten einer aufopferungsvollen Gefährtin. Hinter jedem großen Mann ist, wie man uns sagt, eine Frau: Zweifelhaftes Lob, das die Frau auf den Rang einer Stuhllehne herabsetzt. Im Kampf zwischen Gut und Böse erfüllen die Völker in passiver Weise nur die Rolle der Komparsen. Sie bilden einen konfusen Haufen Schwachsinniger, die begierig nach Befehlshabern sind und die ab und an das rote Gift herunterschlucken, als ob es ein Bonbon wäre. Die Dämonisierung der Kräfte der Veränderung in Gestalt von Agenten fremder Ideologien, von Kokainhändlern oder auch in Gestalt des Marxismus und anderer Drogen verlangt die Ausleerung des geschichtlichen Gedächtnisses. Doch in Wirklichkeit ist das Fremde in Amerika der Kapitalismus, der weder von Manco Capac4 noch von Moctezuma5 eingerichtet, sondern allein von außerhalb und von oben durch die europäischen Invasoren des 16.Jahrhunderts eingeführt wurde. Die Eroberung vermarktete das amerikanische Leben, führte das allgemeine Tauschgesetz (tanto-a-cambio-de-cuanto) ein, während die Kirche das Gesetz des Erwerbs und der Angst auf die göttliche Ordnung projezierte: Wenn Du gehorchst, wirst Du das Himmelreich erwerben; gehorchst Du nicht, wird die Hölle Dich strafen. Im Gegensatz hierzu gibt es keine ältere Tradition in Amerika als diejenige der gemeinschaftlichen Produktions- und Lebensweise. Nicht nur ist die Gemeinschaft die älteste Form, sie bildet auch die hartnäckigste und die am meisten widerständigste Tradition - trotz der nichtendenwollenden Verfolgung, der sie seit fünf Jahrhunderten ausgesetzt ist. Man kann daraus schließen, daß der Sozialismus von innen und von unten kommt, vom Tiefsten und vom Wahrsten, was an das Gedächtnis unserer Länder geknüpft ist. Gemeinsame Strategie

Die gemeinsamen Herausforderungen verlangen nach gemeinsamen Antworten, und darin sind wir um einiges vorangekommen. Die Auslandsschuld und vor allem die Krise Lateinamerikas stellen dies unter Beweis. Unter schwierigen Bedingungen beginnt eine vor dem internationalen Bankwesen vereinte lateinamerikanische Front sich herauszubilden. Mit den Militärdiktaturen, die unsere Auslandsschuld vervielfachten, um Waffen zu kaufen, Luxusgüter anzuschaffen und Investitionen zu umgehen, waren die Spekulanten der Welt äußerst großzügig, und heute kommt den Demokratien die Notwendigkeit zu Bewußtsein, zu einer gemeinsamen Strategie gegenüber ihren Forderungen zu gelangen. Was den Krisenherd in Lateinamerika betrifft, genügt es, daran zu erinnern, mit welcher Leichtigkeit die nordamerikanische Regierung die Stimmen der OAS (Organisation amerikanischer Staaten) erlangte, um Kuba auszuschließen und die Invasion in der Dominikanischen Republik durchzuführen. Ein Vierteljahrhundert später hat sich eine Menge geändert. Trotz der Drohungen und Bestechungen hat Präsident Reagan nicht nur nicht die Unterstützung der OAS zur Ausradierung Nicaraguas erhalten, sondern darüber hinaus mußte er noch die lebendige Kröte der kürzlich abgeschlossenen Friedensvereinbarungen schlucken, die ihn mit seinen Ausrottungsabsichten auf sich gestellt ließ. Im Weißen Haus tut man weiter so, als ob man Lateinamerika in einem Supermarkt gekauft hätte; aber diese Länder beginnen damit, sich zu vereinen, um für sich Respekt zu verlangen.

Demokratie und gesellschaftliche Justiz sind voneinander durch das System getrennt worden. Wer sie zu vereinigen trachtet, entfacht einen Sturm. Dies ist das größte Vergehen der sandinistischen Revolution in Nicaragua. Die Agrarreform, die Verstaatlichung der Banken, die Alphabetisierung und die Volksgesundheitsfürsorge, die das Leben von der Hälfte der Kinder, die vorher starben, rettet, sind ein Angriff auf die Fundamente der staatlichen Sicherheit des Westens.

„Mit der staatlichen Sicherheit verhält es sich wie mit der Liebe: Niemals gibt es davon genug“, sagt General Humberto Gordon, Chef der Geheimpolizei des Diktators Pinochet. Aber nicht allein die Diktaturen verherrlichen mit derartigem Eifer die staatliche Sicherheit. Diese Doktrin, eine Doktrin eines nach innen sich richtenden Krieges, eines gegen das Volk sich richtenden Krieges, eines gegen die Kräfte der Veränderung sich richtenden Krieges, hört nicht auf magische Weise auf, sobald die Militärs die Regierung den bürgerlichen Politikern überlassen. Die Militärs der verschiedenen demokratischen Staaten Lateinamerikas kamen vor einiger Zeit in Argentinien zusammen, um die Ziele, auf die sich ihre militärischen Anstrengungen richten, zu diskutieren: der Kampf gegen die Theologie der Befreiung und gegen den Marxismus, die linke Unterwanderung der Kommunikationsmedien... Zur gleichen Zeit bestätigte die brasilianische Verfassung das Recht des Militärs zur politischen Intervention im Namen der inneren Verteidigung.

Die Repressionsapparate, die beispielsweise in Uruguay einen um das fünfzehnfache größeren Haushalt als die Universität haben, arbeiten weiter im Dienste der staatlichen Sicherheit: Durch Aufstellung einer Überwachungspolizei liefern sie die Demokratie einer ständigen Erpressung aus. Die Demokratie wird behandelt wie ein Kind, das nicht ohne Erlaubnis ausgehen darf und das, wenn es wegen seiner Belästigung um Entschuldigung bittet, auf Zehenspitzen ankommt.

Wahrhafte Demokratien

Die Rede von der formalen Freiheit, einer über den real existierenden Widersprüchen bestehenden Freiheit, dient den Zielen der Füchse, die in den Hühnerställen Handlungsfreiheit verlangen. Nicht anders sieht es mit der Rede von der formalen Demokratie aus, die dem Volk fremd ist, dem sie zu dienen vorgibt. Der demokratische Maßstab des Westens ist der Ausdruck einer Scheinkultur: Der Ehevertrag gilt mehr als die Liebe; die Kleidung mehr als der Körper; das Begräbnis mehr als der Tod und die Messe mehr als Gott. Das Schauspiel der Demokratie gilt mehr als die Demokratie selbst. Die lateinamerikanischen Demokratien wollen wahrhafte Demokratien sein. Sie finden sich nicht damit ab, diktatorische Demokratien (democraduras), nämlich durch Diktaturen entstellte Demokratien zu sein - und dennoch muß zugestanden werden, daß der demokratische Maßstab diesem Aspekt keine größere Bedeutung beimißt. Gemessen an der Bedeutung wird jede dynamische Demokratie, die zu einer Veränderung der Wirklichkeit fähig ist, zu einer Gefahr. Jeder weiß, was mit Salvador Allende und mit Tausenden von Chilenen passierte, als Chile mit der Demokratie ernst machte.

Fünfzehn Jahre nach der chilenischen Tragödie leistet Nicaragua Widerstand. Mit standhafter Ausdauer und gegen alle Störmanöver gerüstet, bewährt sich die Erfahrung hinsichtlich der Einbeziehung des Volkes in die demokratischen Prozesse sowie der gemeinsame Wille zur Bewahrung der staatlichen Würde. In Nicaragua kämpft nicht allein die Volksarmee gegen die angeheuerten, in das Land eindringenden Soldaten: Gleichzeitig kämpfen die Energien menschlicher Schöpfungskraft gegen das verfluchte Erbe der Unterentwicklung, gegen die Ignoranz, die Passivität, die Unverantwortlichkeit und schließlich gegen die Angst zur Veränderung, gegen die Angst zur Produktivität und gegen die Daseinsangst. Dabei ist die Angst, wie es die Mütter vom Plaza de Mayo6 ausdrücken, ein Gefängnis ohne Gitter.

Es drängt sich die Frage auf: Welches blendende Bild mag vor uns am Ende der Jahrhunderte der Angst erscheinen, wenn die Wirklichkeit aufhört, ein Mysterium zu sein, genauso wie die Hofffnung aufhört, ein Trost zu sein? Wenn Macht und Wort zum gemeinsamen Gut aller geworden sein sollten - was würden dann die Völker sagen? Vergessen wir nicht, daß jeder Kampf gegen die Ohnmachtsstruktur eine bewundernswerte und mögliche Welt antizipiert, und daß jeder Triumph, so klein und unbedeutend er auch sein mag, Lorbeeren erntet: Lorbeeren, die weder dazu dienen, die Stirn der heldenhaften Kämpfer noch der Hofdichter noch der Götter irgendeines Olymps zu schmücken, sondern die einzig dem Zweck dienen, die Freuden an dem Wachstum der Volksgemeinschaft zu vermehren (sirven para multiplicar el sabor y la alegria de la humeante, de la bullente, de la creciente olla del pueblo).

Quelle: 'El Pais‘, 31.12.1987

Übersetzung: Klaus Englert

Anmerkungen

1 Im Jahre 1950 kam in freien Wahlen die Regierung von J.Arbenz Guzman an die Macht. Sie stützte sich vorwiegend auf die Linksparteien einschließlich der Kommunisten, schränkte die Rechte der ausländischen Wirtschaftsunternehmen ein und begann mit einer Agrarreform durch Landaufteilung. Nachdem es gegen die Politik von Arbenz Guzman wiederholt zu Revolten gekommen war, wurde er schließlich mit Beteiligung der Vereinigten Staaten im Juni 1954 durch eine Militärjunta unter Führung des Obersten Castillo Armas gestürzt.

2 Die „churros“ sind ein aus Wasser und Mehl bestehendes Ölgebäck, das die Spanier mit Vorliebe mit heißer Schokolade verzehren.

3 „cante jondo“, der andalusische Name für „cante hondo“ (tiefer Gesang), bezieht sich auf den Gesang des Flamenco. Von diesem cante jondo, der in monotonem Rhythmus, mit tiefer Stimme und in melancholischer und wehleidiger Weise vorgetragen wird, sagt Antonio Machado, einer der bekanntesten spanischen Dichter der Jahrhundertwende: Seine Strophen „werden gesungen und gefühlt, sie entspringen dem Herzen und nicht dem Verstand, sie bestehen mehr aus Schreien denn aus Wörtern... Allein die Tradition des wehklagenden Singens, das unserem Volk zu eigen ist, ist in der Lage, so viel Schmerz und so viel Liebe in den Gliedern der Sängerin einzufangen... Es ist das Volkswissen, das sämtliches Wissen umschließt und das das Wissen des Leidens, des Liebens, des Sterbens und der Verabscheung ist.“

4 Manco Capac war einer der bedeutendsten indianischen Häuptlinge (1500-1544). Im Jahre 1533 wurde er von Pizarro zum Schattenkaiser von Cuzco erhoben. 1535 stellte er sich an die Spitze eines großen Indianeraufstandes, nach dessen Scheitern er sich in die Region von Vilcabanba zurückzog.

5 Gemeint ist Moctezuma II (1466-1520), fälschlicherweise Montezuma genannt. Bekannt wurde er als despotischer Herrscher des Aztekenreiches. Als tragische Figur wurde er in der Literatur überliefert, da ihm die Ankunft der Spanier unter Hernan Cortez als die Erfüllung des Glaubens an die Rückkehr des Gottes Quetzalcoatl erschien. Dies war der Grund, warum er den Spaniern keinen ernsthaften Widerstand entgegensetzte.

6 Die Mütter der Plaza de Mayo waren während der Zeit der früheren argentinischen Militärregierung eine der Stützen des Widerstands. Beharrlich bestehen sie auf der Aufklärung der staatlichen Verbrechen und tragen dazu bei, daß das Schicksal der Deportierten und in den Folterkammern Verschwundenen nicht vergessen wird.