Regelt Perez de Cuellar Namibias Unabhängigkeit?

Nach seinen erfolgreichen Vermittlungen im Afghanistankonflikt und im Golfkrieg versucht der UNO-Generalsekretär jetzt auch in Namibia die Wogen zu glätten. Für die Apartheid-Presse war der Besuch von Perez in Südafrika „ein voller Erfolg“, die namibische Opposition hingegen ist verärgert  ■  Aus Johannesburg Hans Brandt

UNO-Generalsekretär Perez de Cuellar ist nach Gesprächen in Südafrika und Angola optimistisch, daß der Plan der UNO für die Unabhängigkeit Namibias, die UNO-Resolution435, bald durchgeführt werden wird. Perez hofft sogar, den von Südafrika vorgeschlagenen 1.November als Anfangstermin einhalten zu können. Als erster Schritt wird in Kürze eine Gruppe technischer Berater der UNO Namibia und Südafrika besuchen.

Perez hatte am Freitag in Luanda, der Haupstadt von Angola, Gespräche mit Präsident Eduardo dos Santos und dem Chef der Südwestafrikanischen Volksorganisation (Swapo), Sam Nujoma, geführt. Vorher hatte Perez zwei Tage in Südafrika verbracht.

Er war bei seinem Besuch in Südafrika bemüht, Bedenken der Apartheidregierung über den in der UNO-Resolution435 enthaltenen Unabhängigkeitsplan für Namibia auszuräumen. Dabei scheute er sich nicht, einen Teil der Opposition in Namibia zu verärgern.

„Wenn Perez mit uns sprechen wollte, hätte er hier her kommen sollen“, sagte Swapo-Sprecher Daniel Tjongarero in Windhoek, der Haupstadt Namibias. Die Swapo und andere Oppositionsparteien protestierten dagegen, daß eine Einladung Perez‘ an Namibias Parteien zu Gesprächen in Pretoria lediglich im Rundfunk von Südafrikas Verwalter in Namibia, Louis Pienaar, verbreitet wurde. Verärgert über die Form der Einladung und die Tatsache, daß Perez südafrikanische Stellen eingeschaltet hatte, blieben zahlreiche Parteien den Gesprächen fern. So konnte Perez lediglich mit Vertretern der von Südafrika eingesetzten Übergangsregierung und einiger gemäßigter und ultrarechter Parteien sprechen.

Mit diesen Gesprächen versuchte Perez, südafrikanische Bedenken über die Unparteilichkeit der UNO zu beruhigen. So hatte Pienaar vor der Ankunft des UNO-Chefs gefordert: „Wir wollen klare Andeutungen, welche Schritte Perez tun wird, um die Unparteilichkeit der UNO zu garantieren.“ Die UNO hat die marxistische Swapo, die seit mehr als zwanzig Jahren einen bewaffneten Kampf gegen die Besatzung Namibias durch Südafrika führt, als einzige legitime Vertreterin des namibischen Volkes anerkannt. Dem versuchten Südafrikaner wiederholt durch die Einrichtung der Übergangsregierung entgegenzuwirken. Es wird dennoch erwartet, daß die Swapo freie Wahlen in Namibia gewinnen würde.

Der derzeitige Vorsitzende der Übergangsregierung, Dirk Mudge, räumte nach den Gesprächen ein, daß er nie Zweifel an der Unparteilichkeit der UNO-Beamten gehabt hätte. Doch die Vollversammlung und der Sicherheitsrat seien nach wie vor suspekt.

Der Besuch Perez‘ wurde von regierungsnahen Zeitungen als voller Erfolg gewertet. „Swapo ist nicht mehr das Lieblingskind“ jubilierte die burische Sonntagszeitung 'Rapport‘. Der Besuch habe gezeigt, „daß der Besuch eines Ausländers auch gut verlaufen kann“, meinte ein Leitartikel in der Zeitung. Es habe „deutliche Zeichen der Freundlichkeit und keine Zeichen des Isolationismus“ gegeben.

Tatsächlich hat Perez Südafrika aber keineswegs besucht, um den Apartheidstaat aus seiner diplomatischen Isolierung zu befreien. Letztlich war dies ein Arbeitsbesuch, bei dem es um die technische Durchführung der UN-Resolution435 ging. Für die Vorbereitung des aufwendigen Planes, wofür Perez verantwortlich ist, bleiben bis zum 1.November immerhin nur etwa vier Wochen.

Problematisch sind vor allem die engen finanziellen Verbindungen Südafrikas mit Namibia. So erhält Namibia nach südafrikanischen Angaben zur Zeit 246 Millionen Mark an direkten Etatzuschüssen und zusätzlich 312 Millionen Mark aus Erträgen der Zollunion mit Südafrika. Das macht 36 Prozent des Gesamtetats von Namibia aus. Zusätzlich sind Namibias Schulden von etwa 640 Millionen Mark zum großen Teil von Südafrika garantiert. Hier mußte Perez angeben, wer Südafrika diese finanziellen Lasten nach der Unabhängigkeit abnimmt.

Auch über die Finanzierung der Durchführung des Unabhängigkeitsplanes von Resolution435 mußte verhandelt werden. Die Kosten werden auf etwa 700 Millionen Dollar geschätzt. Daran will Südafrika sich nicht beteiligen.

Andererseits sind die seit Monaten anhaltenden, von den USA vermittelten Verhandlungen mit Angola und Kuba über den Abzug der etwa 50.000 kubanischen Soldaten aus Angola und die Unabhängigkeit Namibias festgefahren. Der 1.November als Stichtag für den Beginn der Durchführung der Resolution435 wird kaum einzuhalten sein. Auch bei der zur Zeit stattfindenden Runde der Angola-Verhandlungen in Kongos Hauptstadt Brazzaville wurde bislang keine Einigung über einen Zeitplan für den Rückzug der Kubaner erzielt. Kuba und Angola wünschen sich einen Rückzug über drei Jahre, während Südafrika bei der für Mitte 1989 vorgesehenen Unabhängigkeit Namibias keine Kubaner mehr in Angola haben will. Perez hatte versucht, auch in dieser Frage zu vermitteln.