Özals Flop

■ Zum Ausgang des Referendums in der Türkei

Allen levantinischen Rechenkünsten zum trotz - die mageren 35% für eine vom türkischen Ministerpräsidenten Özal zur Abstimmung gestellte Verfassungsänderung sind eine herbe Niederlage. Dabei hatte Özal, wohl wissend, daß es eng wird, im Vorfeld der Wahl die Herausforderung der Opposition angenommen und die Volksabstimmung zu einem Votum über seine Politik erklärt. Auch wenn er nun versucht, seine Niederlage in einen Sieg umzudeuten, weiß Özal doch, daß der Wind ihm ins Gesicht bläst. Die Inflation in der Türkei ist fast wieder auf der Rekordmarke von 1980. Die Kaufkraft der Bevölkerung ist in den letzten acht Jahren um ein Drittel gesunken. Und die türkische Lira befindet sich weiterhin im freien Fall. Vor allem in den Ballungszentren der Westtürkei hat Özal stark an Unterstützung verloren, denn mittlerweile stehen selbst die Mittelschichten vor dem Ruin. Nicht zuletzt deshalb hat Özal für die Aufnahme der kurdischen Flüchtlinge aus dem Irak gesorgt, weil er sich damit zumindestens Millionen kurdischen Stimmen in der Osttürkei sichern konnte.

Zweifellos wird der Ausgang des Referendums der Opposition weiteren Aufwind geben. Selbst der bislang moderate staatlich sanktionierte Gewerkschaftsdachverband Türk-Is wird wird auf mittlere Sicht kaum noch dazu in der Lage sein, großflächige Streiks zu verhindern. Woran es bislang hapert, ist ein überzeugendes Gegenkonzept zu Özals Brachialsanierung der Ökonomie. Allein mit der propagierten Rückkehr zum Etatismus kann die Sozialdemokratie auch in der Türkei keinen Blumentopf mehr gewinnen. Doch die Zeit drängt, wenn die Linke verhindern will, daß sich demnächst wieder das Militär zur Rettung des Landes bemüßigt fühlt.

Jürgen Gottschlich