Rotterdam-Initiative gegen Giftschlamm

Stadt Rotterdam will mit „Tour de Rhine“ Schwermetallbelastung im Rhein stoppen / Dem größten Hafen Europas droht der Giftschlammnotstand / Reduzierung der Schwermetalleinleitungen um 75% gefordert  ■  Von Klaus-Peter Klingelschmitt

Frankfurt (taz) - Der drohende Giftschlammnotstand in den Niederlanden hat die Stadt Rotterdam zu einer ungewöhnlichen „Tour de Rhine“ animiert. Eine Delegation aus der Hafenstadt bereist zur Zeit insgesamt acht Rheinanliegerstädte in den vier Rheinanliegerstaaten Schweiz, Frankreich, Bundesrepublik und Holland, um für eine rasche Reduzierung der Schwermetalleinleitungen in den Rhein zu werben. Das erklärte Niek van den Berg für die Stadt Rotterdam gestern auf einer Pressekonferenz in Frankfurt. Frankfurt liege zwar am Main, doch nahe der Mainmündung in den Rhein sei der „europäische Strom“ besonders stark belastet. Allein 30 Prozent der in Holland gemessenen Gesamtbelastung des Rheins mit Zink seien auf Einleitungen in den Main zurückzuführen.

Im Auftrag der Stadt hatten zwei Forschungsschiffe des „International Centre of Water Studies“ (IVWS) den Rhein und seine Nebenflüsse auf der Suche nach den Schwermetalleinleitern abgefahren. Dabei kamen die Forscher zu dem Ergebnis, daß nur eine mindestens 75prozentige Reduzierung der Schwermetalleinleitungen die Stadt Rotterdam vor dem Giftschlammnotstand bewahren könne. Die Einwohner der niederländischen Stadt stehen mit dem Rücken an der Wand: spätestens im Jahre 2002 wird die künstlich angelegte Giftschlamm-Deponie „Slufter“ vor dem größten Hafen der Welt mit dem schwermetallhaltigen Schlamm gefüllt sein, den die Baggerschiffe täglich aus dem Hafenbecken schaufeln, damit die Ozeanriesen aus aller Welt zu den Docks und Anlegestellen gelangen können.

150 Millionen Kubikmeter Giftschlamm, die der alte Vater Rhein in Rotterdamm bis zur Jahrtausendwende noch in das Hafenbecken schwemmen wird, werden dann ein 28 Meter tiefes und 260 Hektar großes Loch in der Nordsee füllen, das mit Deichen gegen die Fluten der See gesichert wurde. Dann ist endgültig Schluß mit der Deponierung auf „Slufter“. Und die schwermetallbelasteten Schlämme können weder verbaut noch ungesichert in die See gekippt werden.

Extreme Einleitungswerte für Zink, Blei, Cadmium, Chrom und Quecksilber ermittelten die ICWS-Fachleute für den Mittelrheim, vor allem für den Rheindurchfluß im Köln -Leverkusener Industrierevier und im Ruhrgebiet. Einleiternamen wollten die Rotterdamer gestern allerdings nicht nennen, denn noch setzen die Niederländer auf das Gespräch mit den Industriebetrieben. Doch Anki Janssen, die für die technische Abwicklung der Rheinwasser-Untersuchungen zuständig war, erklärte unmißverständlich, daß die Rotterdamer auf Schadenersatz klagen werden, falls sich die Unternehmen gegen eine extreme Beschränkung der Einleitungen sperren sollten. Janssen: „Wir haben juristisch sowohl auf der europäischen als auch auf der nationalen Ebene alles vorbereitet, falls die Einleitungen nicht in absehbarer Zeit gestoppt werden sollten.“ Allein der Bau der Seedeponie „Slufter“ hat die Holländer 200 Millionen Gulden gekostet zur Entsorgung des Schwermetallschlamms aus der Bundesrepublik, aus Frankreich und der Schweiz. Und bis zum Jahre 2002 werden noch „einige Milliarden Mark“ an Entsorgungskosten anfallen.