Schnaps, Bier, Eisbein

■ Geschlechtertausch mit „Jacke wie Hose“ fürs Politik-im-Theater-Fest: am Text vorbeiinszeniert

Bühne: Also, ein Fenster, erleuchtet, eine Tonne mit einem toten Baum (in die Tonne kotzt sie später rein, deshalb ist die da), ein Gartenzwerg (auf den kotzt sie nicht, deshalb weiß ich nicht, warum der da ist) und ein Spaten, der ist glaub ich - da, weil von hinten ist ein Gummi dran, das einen Spiegel hält, in den guckt sie auch mal rein). Also dann ändert sich das Licht, und deshalb weiß man, es beginnt. Links neben mir fängt eine Frau an zu putzen (die Bretter), und da schließe ich messerscharf: das ist die Darstellerin. Sie nimmt noch einen Lappen mit Schrubber und putzt in Richtung Bühnenmitte, weil da muß sie hin. Ein Liedchen ertönt („Wenn bei Capri“ und so weiter), und sie singt mit, und irgendwann nur noch sie, und dann darf sie auch anfangen zu sprechen.

„Jacke wie Hose“ beschreibt die Geschichte einer Frau, die zur Zeit der großen Weltwirschaftskrise in die Rolle ihres verstorbenen Mannes schlupft, um dessen Job zu behalten. Im Programmheft des Polit-Festivals heißt es dazu: „Im ersten Moment als günstigste...Möglichkeit, kommt sie mit der Zeit immer weniger damit zurecht“...„die Inititation zum deutschen Mann: mit Schnaps, Bier, Kartenspiel und Eisbein muß sie es vor aller Welt beweisen.„

Die Kritikerin erwartete also ein Theaterstück, daß zeigt, wie frau sich verhält, wenn ihr Macht

und Elend der Männern zuteil wird. Die großartige Idee, über scheinbare wirtschaftliche Notwendigkeit eine Frau zum Mann werden zu lassen (Geschlechtertausch also aus glaubhaften Gründen und ohne Tootsie-Gegackere) und so die Männerwelt über eine unfreiwillige Spionin aus Frauensicht zu reflektieren, wurde in der Inszenierung des Echo-Theaters Saarbrücken verschenkt. Schade, war doch die Agierende in diesem 80-Minuten-Monolog eine faszinierenden Persönlichkeit mit ganz viel Ausstrahlung, eine, der man das Hilflose, das Ordinäre, das Alte, Resignierte und das Verspielte, Junge, eigentlich alles abnahm. Nur: Das Stück schien weginszeniert vom Thema „Frau als Mann“, war eher Psychogramm einer alternden Frau durch die Vor-, Kriegs-, und Nachkriegszeit, einer Frau, die sich durchbeißen mußte.

Renate Böhnisch, der Darstellerin, gebührt ein großes Lob auf ihre Schauspielkunst: Nie verlor der Monolog an Spannung, 80 Minuten lang zog sie ihre Zuschauer in den Bann, kein Ton war im Publikum zu hören. Warum Monika John als Regisseurin so an den Möglichkeiten des Textes vorbeiinszenierte: Wie schwer waren die Zeiten - um das darzstellen, hätte man nicht „Jacke wie Hose “ auszuwählen brauchen.

Anja Herholz