Grüne suchen Vorsitzende

■ Vorstand: Basis tut nichts, Fraktion ist isoliert / Fraktion: Ritual des Anpinkelns Vorsitzenden-Neuwahl scheitert an Frauenquote und Mißtrauen gegen die Bewerber

„Verbreitet die Nachricht. Wir gehen heute.“ Zu den Klängen von Frank Sinatras „New York, New York“ marschierten die Landesvorständler der Bremer Grünen auf, um Rechenschaft über ihre Aktivitäten zu geben und sich von ihren Funktionen zu verabschieden. Doch die Nachricht, die es zu verbreiten gibt, ist eine andere: Die Bremer Grünen konnten mangels KandidatInnen ihr Führungsgremium nicht neu besetzen. Die Wahl wurde vertagt und soll nun, nach intensiver KandidatInnensuche, bis zum 1. November nachgeholt werden. Bis dahin bleibt der alte Vorstand kommisarisch im Amt.

Rund 100 Mitglieder waren am Montag abend ins Konsul -Hackfeld-Haus gekommen. Die Debatte um die Lage der Grünen im allgemeinen und die Rolle von Vorstand und Fraktion im besonderen, die sich am Rechenschaftsbericht des Vorstands entzündete, wurde jedoch fast ausschließlich von Fraktion und Vorstand selbst geführt. „Schwung in die grüne Versammlung zu bringen“, so der scheidende Vorständler Klaus Adam, sei Ziel des

Rechenschaftberichtes gewesen. Das gelang. Insbesondere Adams „persönliche Anmerkungen zu dem Verhältnis Fraktion Landesverband/-vorstand“ trieb ein Fraktionsmitglied nach dem anderen zum Redepult. Adam hatte der Parlamentsriege Spezialisierung und Verwissenschaftlichung vorgeworfen und bei einzelnen Abgeordneten Vereinzelung, Selbstbezogenheit bis zur Isolation und die Reduzierung der politischen Arbeit auf Pressearbeit festgestellt.

Der Abgeordnete Horst Frehe sah in der Kritik lediglich ein „Ritual des Anpinkelns“. Seine Retourkutsche: Der Vorstand habe zwar die Gründung neuer Kreisverbände unterstützt, damit aber den Hang zu grüner Vereinsmeierei gefördert. Seine Kollegin Helga Trüpel bestätigte zwar ein „Mißverhältnis von Fraktion und Landesvorstand“, schob die Verantwortung dafür aber dem Vorstand zu. Dieser habe es in der Vergangenheit versäumt, poltische Debatten zu organisieren, die über die Tagesaktualität hinausgingen.

Auch den Abgeordneten Ralf

Fücks hielt es nicht auf seinem Stuhl. Der Landesvorstand habe sich durch Schuldzuweisungen an Fraktion und Basis aus der Krise der Grünen herausgemogelt. Doch die scheidenden VorständlerInnen mußten nicht nur Schelte einstecken. „Recht gut“, fand ein Delegierter deren Bilanz, und ein anderer meinte: „Der Vorstand war besser als sein Rechenschaftsbericht.“

Klaus Adam nahm die Kritik mit Humor. „Die Fraktion hat das gute Recht in Anspruch genommen, sich kritisiert zu fühlen.“ Und auf den Vorwurf, ein gutes persönliches Verhältnis der Vorstandsmitglieder untereinander ersetze nicht das politische Handeln, entgegnete er: „Ich bin froh, daß es wenigstens gelungen ist, eine Wohngemeinschaft zu installieren. Die Fraktion hat noch nicht einmal eine Hausgemeinschaft.“ Doch hinter der humorigen Fassade steckte eine Menge Bitternis: „Keiner tut was. Aber wenn wir etwas machen, weiß ich schon vorher, daß wir kritisiert werden.“

40 aktive Parteimitglieder gebe es noch, so ein Grüner am

Randes der Landesversammlung. 10 seien in der Fraktion, 20 als Mitarbeiter beschäftigt, und die restlichen zehn Aktivisten in diversen Initiativen.

Diese Analyse bestätigte sich bei dem Versuch, einen neuen Vorstand zusammen zu bekommen: Zwölf Namen wurden in den Raum gerufen. Trotz intensiver Bemühungen im Vorfeld waren lediglich fünf, Linde Rosental, Ralf Knavrek, Volkmar Pfanne, Ute Treptow und Dieter Withuhn, zur Kandidatur bereit. Damit war klar, daß die frauenpolitischen Beschlüsse nicht eingehalten werden konnten, die vorschreiben, daß von den sieben Vorstandsposten vier mit Frauen besetzt werden müssen. Doch nicht nur aus diesem Grund war das Unbehagen der Versammlung deutlich spürbar. Das Mißtrauen in die politische Kompetenz der meisten KandidatInnen kleidete Fücks in verbindliche Worte („„Eine Wahl ohne Wahl ist ein Absurdum“) und schlug vor, die Entscheidung zu vertagen.

Bis zum 1. November soll nun intensiv nach KandidatInnen gesucht und gewählt werden.

hbk