EISKALTE EKSTASE

■ „Bosho“ im Quartier Latin

In der Baugrube am Görlitzer Bahnhof trommeln ein paar Unverdrossenene, gerhythmikt wird auch auf dem Tauentzien, auf dem Breitscheidplatz, vor einem chinesischen Restaurant am Zoo und an der Deutschen Oper, und immer haben die Wummerer ein interessiertes, zahlreiches und irgendwie identisch aussehendes, treibjagdgrün gekleidetes Publikum, das sie aufmerksam verfolgt.

Das Quartier, am Montag abend eine graue Oase in dieser grünen Stadt, bot Bosho nur wenig Kulisse; die fünfköpfige, neue New Yorker Band trat vor fast leeren Rängen an. Drei Trommler, darunter Samm Bennett, der in Berlin schon mit Elliott Sharp und Ned Rothenberg im Semantics-Trio, mit Werner Durand im Duo und Solo mit seinem millimetergenauen, explosiven wie verschachtelten Schlagtechniken geglänzt hat, dazu Bass und Gitarre: schüchtern, reserviert beinahe, stehen die Musiker da, nur Yuval Gabay hinter dem Drumset zählt lautmalend den Takt ein, tschakke-di-ahh, und dann ballern sie los.

Gabay schlägt die Grundmuster, harte, scharfe, knallende Vierer, Samm Bennett und Kumiko Kimoto federn mit ihrer elektronischen Percussion auf diesem Boden, versetzen und verschieben die Rhythmik, schmettern unisono Abschläge dazwischen, es splasht und crasht, es ist laut, energiegeladen, und es geht, bei aller verqueren Übereinanderschichterei, straight geradeaus. Der Baß schiebt eher unauffällig von hinten, der Gitarrist, einen halben Meter Fußschalter vor sich, jault durch, sirent, grell und schneidend, plinkplankt wieder sachte, Kumiko Kimoto wirft ein paar eiernde Keyboardsounds ein und hebt die Stimme, auch Bennett singt, schreit, grölt eine Punk-Nummer, die blitzschnell und autistisch hämmernd durchgedroschen wird, von wegen Lebensgefühl und aus dem Bauch, Kopf tuts auch.

Die Band beherrscht die Stile zwischen Pop und Hardrock nach Belieben, spielt damit und entfaltet ein artifizielles Vergnügen. Hinter der Ekstase steht kühle mathematische Präzision, der Musiker als Zählwerk und Rechengehirn, es ist perfekt, bei den rhythmischen Spirenzchen sitzt man mundoffen-ungläubig da, Kumiko Kimoto hüpft, renkt Arme und Hals in der Gegend herum und löst die akademische Steifheit auf der Bühne etwas auf. Es ist gute Musik, und sie ist eiskalt. Nichts fürs Herz.

wiglaf droste