Ehemaliger Haftarzt angeklagt

■ Der Mediziner soll einem inhaftierten Rechtsanwalt ein Gefälligkeitsgutachten über dessen Verhandlungsunfähigkeit erstattet haben / Verteidiger hält Gericht für befangen

Ein früherer Arzt des Haftkrankenhauses Moabit muß sich seit gestern wegen Bestechlichkeit vor der 10. Strafkammer des Landgerichts verantworten.

Dem 40jährigen Mediziner wird unter anderem vorgeworfen, einem Rechtsanwalt ein Gefälligkeitsgutachten über dessen Verhandlungsunfähigkeit ausgestellt zu haben.

Der inzwischen verurteilte Anwalt lag seit Mai 1987 als Untersuchungshäftling in der Klinik der Vollzugsanstalt. Laut Anklage wurden dem Arzt 30.000 Mark für das Gutachten versprochen, wovon er 5.000 Mark erhalten haben soll. Der Mediziner soll ferner 1985 einem anderen Untersuchungshäftling ein falsches Attest ausgestellt haben. Dieser Mann soll ihm 15.000 Mark zugesagt haben, falls der Arzt vor Gericht seine wahrheitswidrigen Angaben bestätigen würde.

Der Prozeß wurde noch vor Verlesung der Anklageschrift auf Freitag vertagt, weil der Arzt auf seine Verhandlungsfähigkeit untersucht werden soll. Der wegen einer schweren Krankheit haftverschonte Angeklagte ist trotz einer Operation weiterhin schwerkrank.

Er hatte erklärt, ihm sei schwindlig, und er könne dem Prozeß nicht mehr folgen. Zuvor hatte sein Verteidiger einen Befangenheitsantrag gegenüber dem Gericht gestellt, weil ein faires Verfahren seiner Überzeugung nach nicht gewährleistet sei.

Mitangeklagt wegen Bestechung ist die 52jährige Ehefrau des Rechtsanwalts. Sie soll dem Arzt 5.000 Mark ausgehändigt haben. Der Rechtsanwalt selbst war im Oktober vorigen Jahres zu drei Jahren und sechs Monaten Haft verurteilt worden.

Unter anderem wegen versuchter Erpressung der Mutter des von Interpol gesuchten Bauunternehmers Schmidt-Salzmann. Der Jurist hatte in seinem Prozeß zugegeben, 3,3 Millionen Mark für eine Entlastungsaussage für Schmidt-Salzmann gefordert zu haben.

dpa/taz