Banker aller Länder, vereinigt Euch!

Kohl ganz offiziell beim offiziellen Auftakt des Treffens von IWF und Weltbank in Berlin / Die Verhandlungen sind schon jetzt zu Ende: Von vollständigem Schuldenerlaß keine Rede / In der Nacht zuvor Demonstrationen, Prügeleinsatz an der Oper und 140 Festnahmen  ■  Von Kulke und Rediske

Berlin (taz) - Es war wie jedes Jahr: Mit dem Beginn der Plenarkonferenz von IWF und Weltbank ist die Spannung auf dem Nullpunkt angelangt. Die Verhandlungen im Berliner Internationalen Congress Centrum - ob Gruppe der Sieben (Industrieländer) oder Gruppe der 24 (Entwicklungsländer) sind gelaufen, allgemeine Aufbruchstimmung breitet sich aus. Und nun dürfen Leute vom Kaliber Helmut Kohls und des Berliner Regierenden Bürgermeisters Eberhard Diepgen vor die 5.000 Delegierten aus aller Herren Länder treten. Die hörten sich gestern vormittag denn auch brav an, wie sich die beiden Laienökonomen bei ihnen fürs Kommen bedankten.

Das Lenkungsgremium des IWF hatte zuvor Zufriedenheit mit sich selbst geäußert und einen allgemeinen Schuldenerlaß abgelehnt. Die Länder mit „geringem Einkommen“ erhalten aber jetzt die Erleichterungen, die man ihnen in den letzten Monaten zugesagt hatte. Die Entwicklungsländer sind mit ihren Forderungen auf der aussichtslosen Flucht nach vorn: Sie wollen 40 Millarden zusätzliche Dollar. Eine Erhöhung des IWF-Kapitals steht zwar in Aussicht, wird aber nicht entfernt so hoch ausfallen wie die geforderte Verdopplung.

Bürgermeister Diepgen mußte zwar in seiner Rede eingestehen, daß „von den kommenden Tagen keine Wunderdinge zu erwarten sind“. Dafür ließ er sich die Hoffnung nicht nehmen, der Name seiner Stadt werde wenigstens mit einer „Botschaft“ verbunden bleiben: für eine gerechtere Weltwirtschaftsordnung, für Frieden und Menschenwürde. Bundeskanzler Kohl war da etwas bescheidener und forderte in Anlehnung an bekanntes deutsches Schlagergut - „ein Stück mehr Gerechtigkeit“.

Nur einmal riß ein Aufschrei im Vorraum des riesigen Pressesaals die Journalisten aufspringen und nach vorne sprinten. Hatte am Ende Weltbank-Chef Barber Conable doch noch die Langeweile der Eröffnungsreden mit einer neuen Initiative zum Schuldenproblem durchbrochen? Nichts. Auf dem Monitor im Presseraum hatte man längst auf Olympia umgeschaltet, und der Aufschrei galt dem Kicker Funkel, der gerade für die bundesdeutsche Mannschaft einen Elfmeter vergeigt hatte.

Montag abend hieß es für die derzeit 10.000 Polizisten in der Stadt vor der Deutschen Oper wieder einmal „Prügel frei“ - genau da, wo am 2.Juni 1967 Benno Ohnesorg von einem Polizisten erschossen worden war. Rund um die Gedächtniskirche gab es gegen die allabendlichen Anti-IWF -Trommler ebenfalls einen Brutaloeinsatz. Einigen kaputten Scheiben standen 130 Festnahmen sowie 14 Verletzte gegenüber, zum Teil mit Verdacht auf Schädelfraktur. Gestern morgen „beklatschten“ rund 80 von ihnen die ankommenden Banker auf dem Flughafen Tegel, und am Nachmittag protestierten immerhin 2.000 vor den Toren des Pharmakonzerns Schering. Siehe IWF-Seiten 5 bis 7