Keine Neugier auf „VZ“

■ Volkszähler vermissen „Auswertungsabsichten“ der Regionalplaner und Politiker / Statistiker tagten

Gut hundert Männer saßen gestern nachmittag in dem erdrückend herrschaftlichen Festsaal des Bremer Rathauses. Vorne lasen Beamte statistischer Ämter ihre Manuskripte vor

-ein klein wenig von Beerdigungsstimmung lag schwer über dem riesig hohen Saal. Ein Ausschuß auf der Jahrestagung der „Deutschen Statistischen Gesellschaft“ tagte, „Planen für die Zukunft mit Daten der VZ 87“ war das Thema. Die kleine Verbeugung vor der Bedeutung der „VZ“ war in diesem Kreise so obligat wie das Hutabnehmen vor dem Bildnis des Kaisers damals. Zwischen den Zeilen ließen die Statistik-Beamten aber jeder Menge Ärger Luft, daß sie in einer unpopulären Ecke allein gelassen werden. „Im Gegensatz zur Volksählung 1970“, meinte der bayerische Datenverarbeitungs-Mann Dr. Rost, als „Geheimhaltungsprobleme keine Rolle“ spielten, gebe es bei der Volkszählung 1987 „erhebliche Einschränkungen“.

Da mit der VZ neben der Einwohner-Zählung vor allem langfristige Veränderungsprozesse erfaßt werden sollen, steht die Frage im Raum, ob diese „VZ“ die letzte war. „Was passiert, wenn es keine VZ mehr gibt?“, fragte Dr. Koch vom bayerischen

Ministerium für Landesplanung in den Raum. Dies scheint um so mehr zu drohen, als die Landesbehörden bisher kaum Auswertungsbegehren formuliert hätten. Die „Auswertungsabsichten“ seien „nicht gerade von brennender Neugier geprägt“, kritisierte Koch. Keine Landesbehörde habe zusätzliches Personal für die Auswertung der „VZ“ bereitgestellt. Eine norddeutsche Behörde habe sogar offiziell mitgeteilt, wegen fehlenden Personals sei „keine rasche Auswertung möglich“.

Zum Beispiel kommen die Daten über Pendler-Ströme erst 1990 zustande - dann sind sie nicht mehr aktuell. Auch die Arbeitsmarkt-Daten seien „zwei Jahre alt zum Zeitpunkt der Verfügbarkeit“. Die „Pendler-Daten“ könnten auch anders gewonnen werden, meint ein Kollege Zuhörer, nämlich aus der Beschäftigtenstatistik. Das sei bisher nicht angesprochen worden, erklärt Dr. Koch, „um die VZ nicht in Gefahr zu bringen.“

Einig sind sich die Statistiker in einem: sie müssen für die Planungsbehörden und die Politiker „Anregungen“ erarbeiten“, um Interesse an den Datenmengen zu wecken und zu erklären, wie die „Milliardeninvestition“ zu nutzen sein könnte.

K.W.