Die Frauen und die „Sache“

Auf der Frauenkonferenz der IG Metall zeigte Steinkühler, wer Herr im Hause ist  ■  Aus Frankfurt Heide Platen

Hinter den Kulissen gab es Tränen beim 13.Frauenkongreß der Industriegewerkschaft Metall Ende vergangener Woche in Frankfurt. Die Männerriege im Vorstand der Gewerkschaft begegnete den feministischen Ansätzen der Frauen in ihrer Organisation mit Ablehnung und hartem Druck. Der Eklat machte sich fest an einem Referat der Wissenschaftlerin Dr. Ingrid Kurz-Scherf Wem gehört die Zeit - Frauen und Arbeitszeiten.

Der erste Vorsitzende Franz Steinkühler, urprünglich für den Schluß angekündigt, erschien bereits einen Tag früher, just zu dem Termin, der eigentlich für Kurz-Scherf vorgesehen war. Sein Terminkalender habe diese Umdisponierung notwendig gemacht, hieß es diplomatisch, obwohl der Konflikt zu dieser Zeit schon schwelte. Das vorab vorgelegte Manuskript der Wissenschaftlerin war harsch kritisiert worden. „So nicht!“, hatte es im IGM-Vorstand geheißen. Auch die Überarbeitung war ungnädig abgelehnt worden. Neue Änderungen wurden verlangt. „Die soll sogar“, hieß es hinter den Kulissen, „den Satz 'Die Geduld der Frauen ist die Macht der Männer‘ streichen“. Kurz-Scherf habe sich unter Tränen geweigert, noch mehr Zugeständnisse zu machen. So könne sie, berichtete der Flurfunk, das Referat gar nicht mehr halten. Das sei, soll sie von Franz Steinkühler abgekanzelt worden sein, wohl auch das Allerbeste.

Als Ingrid Kurz-Scherf zum RednerInnen-Pult ging, bat sie um Nachsicht für Ungenauigkeiten, weil es „einige Probleme mit meinem Referat“ gegeben habe. Kurz-Scherf ging eine heilige Kuh der Gewerksschaften an. Sie zeigte jene männlichen Strukturen auf, in denen sich Frauen bisher immer den vermeintlichen gemeinsamen Interessen „an der Sache“ beugten und ihre eigenen zurückstellten bis zum Sankt -Nimmerleinstag.

Sie sah Perspektiven für gesellschaftliche Veränderungen und eine Arbeitsteilung von Frauen und Männern auch im Haushalt in einer weitergehenden Verkürzung der Arbeitszeit. Der Sechs-Stunden-Tag für beide Geschlechter könne gesichert auf Tarifebene - langfristig ein Schritt in diese Richtung sein. Aktive Gewerkschafterinnen verzichteten bisher wegen ihres Berufes bewußt auf Kinder, aber: „Meine männlichen Kollegen werden Vater, und man merkt es nicht.“ Solche Perspektiven würden inzwischen mit den Frauen „begeistert“ diskutiert, nicht aber im tarifpolitischen Ausschuß des DGB. Die Diskussion der Frauen sei „eines der lebendigsten Politikfelder in den Gewerkschaften“, auch wenn die Männer das nicht wahrhaben wollten. Kurz-Scherf endete ihren Vortrag mit der Frage: „Warum feiern wir noch Weihnachten, wenn doch täglich Hunderttausende von Männern geboren werden, die sich später für einen Gott halten.“

Die Referentin nahm anschließend noch einmal zu den Querelen um ihren Vortrag Stellung. Sie habe inzwischen eingesehen, daß sie sich mit der „deutlichen Orientierung auf den Sechs-Stunden-Tag“ „über meine Kompetenzen hinaus in die Beschlußfassung eingemischt“ habe und „im Tonfall eventuell einigen auf die Füße getreten“ sei.

Die Frauen nahmen den Beitrag mit großem Interesse auf und diskutierten ihn unter Einbeziehung ihrer Erfahrungen mit der derzeitigen Arbeitszeitverkürzung. Einige Betriebsrätinnen berichteten, daß in ihren Betrieben die Frauen gegen das Votum der Männer hartnäckig gegen einen freien Tag und statt dessen für eine tägliche kürzere Arbeitszeit entschieden hätten. Nach anfänglichen Kämpfen („Ihr wollt uns den freien Tag wegnehmen!“) seien die Männer jetzt sehr zufrieden, „täglich eine halbe Stunde früher“ nach Hause zu kommen. In anderen Betrieben wurden Mischformen in wöchentlichem oder halbjährlichem Wechsel ausgehandelt.