„Polizei für die Polizei“

Wuppertaler Soziologe fordert Polizeibeschwerdestellen, um den Machtmißbrauch der Strafverfolger zu stoppen / „Massive Existenz von polizeilichem Fehlverhalten“ / Polizei wird unzureichend kontrolliert  ■  Von Benno Pilardeaux

Berlin (taz)-Wenn es nach dem Willen des Wuppertaler Soziologieprofessors Manfred Brusten geht, dann wird es in der Bundesrepublik bald eine „Polizei für die Polizei“ geben. Der Lehrstuhlinhaber für „Soziologie abweichenden Verhaltens und sozialer Kontrolle“ von der Universität Wuppertal veröffentlichte jetzt eine Studie mit dem fragenden Titel Neue Wege zur demokratischen Kontrolle der Polizei?. Zur Debatte steht die vom Professor selbst als „kriminalpolitisch höchst brisant“ eingeschätzte Forderung nach Einrichtung von Polizeibeschwerdestellen in der Bundesrepublik.

Und dafür führt Brusten eine ganze Reihe von Gründen auf. Zunächst einmal stellt er fest, daß sich die „massive Existenz von polizeilichem Fehlverhalten in der BRD kaum leugnen läßt“, Fehlverhalten der Polizei sei keine „Einzelerscheinung“. Dafür nennt er einige Beispiele. Das bekannteste: die Wegezollaffaire Anfang der achtziger Jahre, bei der Polizisten auf bundesdeutschen Autobahnen von Lastwagenfahrern Abgaben erpreßten. Aber auch Freiheitsberaubung, Bestechung, Körperverletzung im Amt und Meineid erscheinen auf des Professors Deliktliste. Nicht zuletzt durch solche Fälle, in denen eine ganze Gruppe Beamter korrupt wurde, bestätigt sich, daß die derzeitigen Kontrollinstanzen für „Schwarze Schafe“ in der deutschen Polizei „weit hinter ihrem Ideal zurückliegen, meist auch hinter realen Möglichkeiten der Kontrolle“. Im Klartext: Die Polizei wird unzureichend kontrolliert.

Den derzeitigen Entwicklungsstand einer „Polizei für die Polizei“ beschreibt Brusten als “'kollektiven blackout‘ der gesamten deutschen Kriminologie“. Zwar gibt es eine Untersuchung des Baden-Württembergischen Innenministeriums aus dem Jahre 1986, derzufolge jährlich etwa 70 Strafverfahren gegen Polizisten verzeichnet werden. Hochgerechnet macht das immerhin 650 „Schwarze Schafe“ unter den Ordnungshütern aus. Häufigstes Delikt: Körperverletzung im Amt. Allerdings repräsentieren diese Daten „nur einen Bruchteil aller Straftaten“, die von der Polizei tatsächlich begangen werden. Darüber hinaus hat Brusten festgestellt, daß die Kriminalität „in den Strafverfolgungsbehörden seit einigen Jahren zunimmt“.

Angesichts dieser Situation sollen Polizeibeschwerdestellen dazu verhelfen, „den Machtmißbrauch der Polizei erheblich zu verringern“. Vorbild dazu sind die australischen „Police Complaints Authorities“ (PCA). Polizeibeschwerdestellen sollen demnach als „polizeiunabhängige, staatliche Institutionen“ selbst Ermittlungen durchführen können. Das wäre eine „historische Wendemarke“ in der deutschen Polizeipolitik, ein weiterer „Schritt in Richtung Demokratisierung eines Staates“.

Als Vorteil hat sich in Australien erwiesen, daß Beschwerden auch anonym abgegeben werden können. „Vielfach (können) nur auf diese Weise Informationen über schwerwiegende Dienstvergehen - wie etwa Bestechung oder Korruption -“ aufgedeckt werden.

Bei der Diskussion um Polizeibeschwerdestellen schreibt Brusten der Gewerkschaft der Polizei eine zentrale Rolle zu. Als ersten Schritt plädiert er für die Einsetzung einer entsprechenden Reformkommission. Hoffnungsvoll sieht er auch dem Plan der schleswig-holsteinischen Landesregierung entgegen, wonach noch in diesem Jahr ein „Ombudsman“, ein Beauftragter für Bürgerangelegenheiten eingeführt werden soll. Allein die absehbare „präventive Wirkung“ spreche für die Einrichtung einer „Polizei für die Polizei“. Was die bundesdeutsche Führungsspitze der Polizei oder die Polizei -Gewerkschaften vom Voschlag halten, steht allerdings aus. Man prüfe noch, erklärten alle von der taz angesprochenen Stellen.