Voscherau läßt die Muskeln spielen

■ Hamburgs Bürgermeister droht wieder mal mit Räumung der Hafenstraße den starken Mann / Koalitions-Unmut um Briefe an Parteispitze / Jede militante Aktion wird Hafenstraßenbewohnern angehängt

Hamburg (taz) - Je ruhiger die Lage um die ehemals besetzten Häuser in Hamburgs Hafenstraße wird, desto mehr läßt Bürgermeister Henning Voscherau (SPD) gegenüber den Bewohnern die Muskeln spielen. Diese widersprüchliche Situation prägt derzeit das politische Klima der Hansestadt. Dabei könnte sich Voscherau im Moment auf seinen Lorbeeren ausruhen. Auf seiner am Wochenende beendeten Ostasienreise sicherte er Hamburg die Olympischen Spiele im Jahre 2004 und dann zog er in Schanghai einen dicken Fisch an Land: Die chinesische Staatsreederei wählte Hamburg als Stützpunkt ihrer europäischen Aktivitäten.

Wieder in Hamburg, widmet er sich seinem Lieblingsthema: „Gewalt in Hamburg“. Obwohl militante Aktionen gegen die mittlerweile abgeblasenen - Musical-Pläne im lebendig -unruhigen Schanzenviertel genausowenig mit der Hafenstraße in Zusammenhang gebracht werden konnten wie die Besetzungen von angeblichen Yuppie-Restaurants im benachbarten Stadtteil Ottensen oder der Überfall auf eine IWF-Podiumsdiskussion in der Katholischen Akademie, drohte Voscherau nun unverhüllt mit dem Ende des Wohnmodells. Wenn sich nachweisen ließe, daß zukünftige Aktionen dieser „neuen Dimension“ unter Beteiligung, Führung und Ausnutzung der Hafenstraßen -„Logistik“ stattfänden, will der Regierungschef räumen lassen. Ob dieses Vorgehen rechtlich überhaupt möglich ist, scheint dem Juristen Voscherau egal zu sein.

Egal ist ihm offensichtlich auch, daß er sich mit der gebetsmühlenartigen Wiederholung seiner Drohgebährden selbst bei Sozialdemokraten lächerlich macht. Um seinen Sorgen Ausdruck zu verleihen, verschickte er kurz vor seiner Abreise nach Südkorea sechs Briefe an Bonner SPD-Spitzen, in denen eine härtere Gangart gegenüber dem unruhigen Potential Hamburgs angekündigt wird. Beigefügt ist eine als „Vertraulich - auf Dauer“ klassifizierte Senatsdrucksache, von der nicht einmal die Bürgerschaft Kenntnis hatte. Vor allem der Koalitionspartner FDP nutzt die Gelegenheit zu harscher Kritik, fühlen sich die Freidemokraten seit Voscheraus Amtsantritt doch ohnehin schlechter behandelt als zuvor unter Dohnanyi.

Mag Voscherau die Liberalen-Kritik noch locker wegstecken, dem Bombardement der Springer-Presse steht er nach wie vor ohnmächtig gegenüber. Nach wie vor fühlt er sich zu einer kernigen Aussage verpflichtet, wenn eine der Rechts-Gazetten jede Kleinst-Aktion zum Seitenaufmacher aufbläst. Daran hindern ihn auch nicht Erkenntnisse des Verfassungsschutzes, wonach sich angeblich sogar Teile der Schanzenviertel-Szene darüber ärgern, daß die Hafenstraßen-Bewohner inzwischen „schlaff“ geworden seien und nur noch ans Wohnen dächten.

Axel Kintzinger