Ein Haar in der Suppe

■ Das Repertoire der sich mächtig ins Zeug spielenden "Rollins Band" ging selten über das quälend antiquierte Rock-Muster der 70er Jahre hinaus: Da helfen auch keine nassen Haare

An Kalorien sparten sie nicht gerade, die vier Herren aus Amerika. Als das Konzert der Rollins Band am Mittwoch im Römer beendet war, hockte Henry Rollins erst einmal eine halbe Stunde in der Ecke zwischen Verstärkern und Lautsprechern. Richtig fertig sah er aus, und dazu hatte er auch allen Grund. Ein Besessener am Mikrophon präsentierte sich da dem dicht gedrängten Publikum. Nackt bis auf seine schwarze Rennfahrerhose, barfüßig die Bühnenbretter bearbeitend, gebärdete er sich wie ein Derwisch, um seine Brachial-Mitteilungen unters Volk zu brüllen.

„Burnt beyond recognition“ war eins dieser wenig zurückhaltenden Stücke, ging es doch eindeutig um das Gesicht einer Frau nach einem Zwischenfall mit ihrem Freund. Daß dieser von unten bis oben tätowierte Mann mit dem diabolischen Blick ansonsten kein Wässerchen trüben kann, wie es allenthalben berichtet wird, vermag sein Bühnengebaren nicht ansatzweise zu rechtfertigen. Schreiend, röhrend und kreischend begleitete er seine Bandmitglieder -oder sie ihn. Simeon Cain (drums) gab sich dabei alle Mühe, dem Schlagzeuger der Muppets-Show Konkurrenz zu machen, wenn es darum ging, möglichst viele Oberkörperzuckungen pro Sekunde mit dem Wirbeln seiner Wuschelmähne zu unterstreichen.

Doch auch bei derart geballter Aktion vor der schwitzenden Masse Mensch im Auditorium war dennoch ein Haar in der Suppe zu finden. Henry Rollins ging nun einmal der Ruf voraus, nach den Bad Brains und Black Flag nun auch mit seinem Solo-Projekt dort weiterzumachen, wo sich andere schon lange nicht mehr trauen. Doch das Repertoire der Rollins-Band ging selten über quälend antiqierte 70er Jahre Rockmuster hinaus. Zwar splitterten die Drumsticks wie zu besten Zeiten, Chris Hasketts Gitarre jaulte langgezogene Wimmerlaute über die Köpfe der ZuhörerInnen und Andrews Baß dröhnte wie ein Dampfhammer, doch das war es auch schon. Der Funke wollte einfach nicht überspringen, wenngleich einige Unentwegte vor der Bühne mit hochroten Köpfen nicht einen Takt beim Mitrocken ausließen.

So war es nicht weiter verwunderlich, daß nach Beendigung des regulären Sets niemand so recht um eine Zugabe johlte. Doch auch ohne viel Bitten fühlten sich die vier Musiker genötigt, neues Plattenmaterial ins Publikum zu schleudern. Van Halens „Burning with the devil“ mußte als schlappe Cover -Version scließlich auch noch herhalten, einer harten Rockformation den weichen Kern bloßzulegen. Denn daß es sich bei restlos erschöpften Amerikanern um nette Jungs von

nebenan handelte, bewiesen sie im nachhinein. Abgetrocknet und die schweißnassen Haare geordnet bauten sie mit ab und waren einem launigem Gespräch nicht abgeneigt.

Zur Zeit befinden sie sich auf einer ausgedehnten Tour durch Europa - bis hin nach Budapest, Paris, London. Daß sie wie so viele Bands von der Hand in den Mund leben müssen, gaben sie gern zu, doch von einer weicher Welle wollten sie auf keinen Fall etwas wissen. Simeon Cain versucht sich sogar als Free-Jazzer in anderen Gruppen und Henry Rollins sei gerade dabei, etwas „ultrabrutales“ auszutüfteln. Wenn's dann hilft.

Jürgen Francke