Leichentransport für 2 Mark 35

■ Zum Abschluß von "Schreck laß nach" wurde im Bürgerhaus Vahr über Kriegsvorbereitung diskutiert / Nato-Konzept: Bleib zuhaus, wenn die Bomben fallen

„Schreck laß nach“, heißt es seit dem 2. September im Bürgerzentrum Vahr. Zum Abschluß der Ausstellung über „Abschreckung und andere Utopien“ fand am Mittwoch abend vor etwa 60 ZuhörerInnen eine Diskussion über Kriegsvorbereitung in Friedenszeiten statt.

Egal ob Polizei, Bundesbahn, Post, oder Justiz, Kriegsvorbereitung gibt es auch in Zeiten, da ein wenig abgerüstet wird, überall. Ulrich Vultejus, Strafrichter in Hannover berichtete über die Entwürfe zur Kriegsgerichtsbarkeit für den 3.Weltkrieg. Pate für die Pläne stand dabei die Kriegsgerichtsbarkeit des 2. Weltkrieges. In der Mehrzahl hat es ein Kriegsgericht mit ähnlichen Delikten wie ein normales Strafgericht zu tun, Diebstahl, Unterschlagung, Vergewaltigung. Die „schweren“ Delikte wie Fahnenflucht, Angriffe auf Vorgesetzte, Abwesenheit von der Front und Feigheit vor dem Feind wurden im 2.Weltkrieg, je nach Kriegsglück, meist mit dem Tode bestraft. Der Soldat hatte nur die Wahl zwischen dem wahrscheinlichen Tod an der Front und dem sicheren Tod durch Bestrafung. Für den nächsten Weltkrieg ist die Todesstrafe nicht vorgesehen, aber da, so Vultejus, gebe es ein

unlösbares Dilemma. Da die Kriegsgerichtsbarkeit nicht an Gerechtigkeit ausgerichtet sei, sondern militärischen Zwecken diene, reiche eine Freiheitsstrafe als Abschreckungsmittel nicht aus. Vultejus: „Wieso sollte ein Desserteur den Krieg im Gefängnis überleben, während der Soldat an der Front stirbt? Also muß die Todesstrafe zwangsläufig wieder eingeführt werden.“

Auch die künftigen Kriegsrichter sind schon benannt und bestimmten Truppenteilen zugeordnet. Bis 1984 haben sie in Seminaren das Verurteilen von Soldaten geübt. Nachdem die Entwürfe bekannt wurden, wurde die Weiterarbeit unterbrochen und Übungen nicht fortgeführt.

„Steh-put“ (Bleib wo Du bist), ein Begriff der aus der Hunde- dressur stammt, ist bei der NATO zum Befehl für die Zivilbevölkerung im Kriegsfall geworden. Diese „Lähmungsmaßnahme“ soll dafür sorgen, daß die Zivilbevölkerung an ihren Arbeitsplätzen bleibt, damit Truppenbewe- gungen nicht behindert werden.

Als Folgegesetze der Notstandsgesetze von 1968 wurden Sicherstellungsgesetze entwickelt, damit die Bevölkerung im Kriegsfall die Verteidigung des Landes nicht behindert. Durch

die „Vorausverrechtlichung zahlreicher Maßnahmen“ wurde der politische Handlungsspielraum immer stärker eingeschränkt, so daß die Bevölkerung zum Mitmachen gezwungen ist. In einem Diavortrag führte Rudolf Prahm, pensionierter Lehrer, der sich in akribischer Weise mit den Sicherstellugsgesetzen beschäftigt hat, zahlreiche Maßnahmen vor, die im Kriegsfall ergriffen weden. Die gesamte Bevölkerung wird nach Tauglichkeit verplant und entweder für den Zivilschutz eingesetzt oder lahmgelegt. Lebensmittelkarten, Kraftfahrzeugerlaubnisscheine, Benzingutscheine sind bereits gedruckt. Die Bundespost hat in Zusammenarbeit mit dem Innensenator, bzw. den Innenministerien Telefonausschlußlisten erstellt. Im Verteidigungsfall wird eine allgemeine Telefonsperre vehängt und nur die aufgelisteten Anschlüsse, Polizei, Bundeswehr, Ärzte, Apotheker und obere Behörden, werden zur Aufrechterhaltung der Ordnung und Versorgung nicht abgestellt. Auch die Bundesbahn hat sich schon auf den Kriegsfall vorbereitet. Sie hat Preise für den Leichentransport festgelegt, für eine Leiche 2,35 Mark pro Kilometer.

Roswitha Bünjer