Die Israel-Lobby und die Nahostpolitik der USA

Die Israel-Lobby hat starken Einfluß auf den US-Kongreß, weniger jedoch auf den Präsidenten  ■  Von Edmund Hanauer

In welchem Maße die Anhänger Israels die US-amerikanische Nahostpolitik beeinflussen, ist heftig umstritten. Selbst unter Befürwortern und Gegnern einer Unterstützung Israels sowie innerhalb von linken und nicht-linken Gruppierungen sind die Meinungen geteilt.

Außer Zweifel steht, daß die sogenannte Israel-Lobby die Nahostpolitik der USA mitbestimmt. Im amerikanischen politischen System kann eine kleine gutorganisierte Lobby auch gegen den Widerstand der Mehrheit Politik machen. So sind zum Beispiel 90 Prozent der Amerikaner für schärfere Waffenkontrollgesetze, und dennoch hat die gut organisierte Waffenlobby, die National Rifle Association (NRA) viel mehr Einfluß im Kongreß.

Die meisten Kongreßabgeordneten sind (ungeachtet ihrer privaten Meinung) kritiklose Anhänger Israels, was im wesentlichen auf den Druck der Israel-Lobby zurückgeht. Auch wenn sich die amerikanischen Juden - unter der Voraussetzung, daß Israels Sicherheit gewährleistet ist mehrheitlich für einen Palästinenserstaat aussprechen, ist nicht gesagt, daß der Kongreß - zumal öffentlich ebensoviel Wohlwollen für die Palästinenser zeigt.

Von den 100 Mitgliedern des Senats haben, was selten vorkommt, 30 die Friedensinitiative von Außenminister George Shultz unterstützt und sich damit den Zorn des israelischen Premierministers Yitzhak Shamir zugezogen. Doch selbst diese bescheidene Aktion war vielleicht nur möglich, weil sie von zwei jüdischen Senatoren ausging und klar war, daß sie nicht die PLO unterstützen sollte, sondern den israelischen Außenminister Shimon Peres, der eine ähnliche Position vertritt wie Shultz.

Zu der pro-israelischen Politik des Kongresses tragen aber auch viele andere Faktoren bei: Schuldgefühle wegen des Holocausts, freundschaftliche Beziehungen zu Juden im Kongreß wie auch außerhalb sowie die - auf unvollständigen Informationen beruhende - Annahme, daß Israel gewöhnlich im Recht ist. Für die Liberalen ist Israel eine Bastion der Demokratie und des gesellschaftlichen Fortschritts und die Konservativen sehen - wie viele Liberale auch - in Israel einen Vorposten des Antikommunismus. Andere wichtige Faktoren sind die Angst, daß eine Kritik an Israel den Antisemitismus fördert, Rassismus gegenüber den Arabern und Bewunderung für das, was Israel geleistet hat. Darüber hinaus haben Millionen Amerikaner jüdische Freunde und Kollegen, während zu der kleinen arabisch-amerikanischen Gemeinschaft sehr viel weniger Kontakt besteht.

Die Israel-Lobby hat starken Einfluß auf den Kongreß, weniger jedoch auf den Präsidenten, das Außenministerium, die Medien und die öffentliche Meinung überhaupt. Da Präsident und Außenministerium nicht so sehr innenpolitischem Druck ausgesetzt sind, sind sie eher bereit als der Kongreß, sich gelegentlich der Politik Israels zu widersetzen. Berücksichtigt man diese historischen Unterschiede und die Tatsache, daß der Präsident sich - je nach seiner persönlichen Orientierung - vielleicht mehr aus realpolitischen Erwägungen und Gründen des Kalten Krieges für Israel einsetzt als aus Respekt für die Israel-Lobby, so kann man nicht sagen, daß die Lobby die Nahostpolitik der Vereinigten Staaten „kontrolliert“. Doch wäre diese Politik ohne die Israel-Lobby sicherlich „ausgewogener“, auch wenn sie wohl kaum den Wünschen der arabischen Regierungen entsprechen würde.

Übersetzung Gertraude Krüger