"German newspaper - oh, no!"

■ Umfrage: Was bekommen die ICC-Insassen von den Straßenprotesten mit? / Nichts gehört, nichts gesehen? / Wenn sie sich unbelauscht fühlen, erinnern sich die Banker doch

Berlin (taz) - Was denken die Banker und Finanzmanager im ICC, an deren Adresse sich der Protest richtet? Was kriegen sie mit von den täglichen Protestaktionen? Der Mann aus Sambia hat überhaupt noch keine Proteste gesehen und sie wären ihm auch ziemlich egal. Er tut hier nur „seinen Job“. Die Herren aus Botswana und Nigeria wollen auch nichts bemerkt haben, aber einer hat zumindest in der Zeitung von Demonstrationen gelesen. Der Besucher aus Botswana weiß nichts Genaues, aber er ist sich sicher, daß die DemonstrantInnen einen Fehler machen.

Ob sie sich Gründe für die Proteste vorstellen können? No comment. „No comment“ heißt auch die Antwort der drei Delegierten aus Barbados. Nur ein „German newspaper? Oh, no!“ können sie sich entringen. „Very fine“ fühlt sich dagegen der Banker aus Thailand. Nur die Demonstration, die habe ihm nicht so gefallen. Nun, das sei nun einmal Demokratie. Von den täglichen Protestaktionen hat er bisher nichts mitbekommen: „Schließlich bin ich gekommen, um mich zu amüsieren.“

Nur ein einziger der von der taz im ICC Befragten äußert sich offen positiv. Ein unabhängiger Berater einiger Entwicklungsländer aus England meint: „Ich bewundere die Demonstranten. Sie zeigen damit soziales Bewußtsein. Leider wird der Protest keinen Einfluß auf die Tagung haben.“

Zumindest dann, wenn auf den Empfängen etwas Alkohol fließt und man sich unbelauscht fühlt, hört man die Bankeräußerung, daß diese DemonstrantInnen offenbar an Einfluß gewännen, und unverschämterweise hätten sie sogar ein Radio und eine Zeitung, in denen sie verkünden, wo sich die Tagungsteilnehmer gerade treffen. Und vielleicht hat auch der Rat eines deutschen Finanzmannes etwas mit den Protesten zu tun: es wäre wirklich sinnvoll, wenn die Jahrestagung einmal in Moskau stattfände.

Vera Gaserow