Stürzt "Cosmos" auf Bundesbürger?

■ Der atombetriebene sowjetische Spähsatellit auf dem Weg nach unten / Bundesregierung beschwichtigt

Berlin (taz) - Stichtag ist der kommende Mittwoch. „Es“ kann aber auch schon Montag oder erst Freitag passieren. Nach neuesten Meldungen kommt uns der atombetriebene sowjetische Spähsatellit „Cosmos 1900“ täglich 4.000 Meter näher. Die Wahrscheinlichkeit, daß er mitsamt seiner radioaktiven Fracht ausgerechnet über der dichtbesiedelten Bundesrepublik niederkommt, bewegt sich im Promillebereich.

Die Bundesregierung gibt sich geschäftig und rüstet vor allem gegen eine Vertrauenskrise a la Tschernobyl. Warnungen und Beschwichtigungen halten sich die Waage. „Die Wahrscheinlichkeit, daß Trümmerteile über der Bundesrepublik niedergehen, ist äußerst gering“, beruhigt eine freundliche Frauenstimme verängstigte BürgerInnen, die das eigens eingerichtete Sorgentelefon im Bundesumweltministerium (0228 -3053333) anwählen. „Gebäude aufsuchen und während des Absturzes dort bleiben“, wird die Parole lauten, wenn es dennoch so weit kommt. Und: „Nach dem Absturz sich möglichst wenig im Freien aufhalten, damit auch keine zufällige Berührung mit kleinen Teilchen des Satelliten stattfindet. Keine verdächtigen Bruchstücke berühren.“

Die Bevölkerung soll, versicherte der Bundesumweltminister Klaus Töpfer gestern in Bonn, „zum frühestmöglichen Zeitpunkt“ über Funk und Fernsehen unterrichtet werden, falls das Bundesgebiet betroffen sei.

Die Bastler in Moskau vertrauen auch ohne Funkkontakt derweil unverdrossen ihrer Himmelstechnik und teilen (erstmals) Einzelheiten mit. Mit einem „kleinen Schnellen Brüter“ sei Cosmos 1900 bestückt.

Auf 37 Brennelemente verteilen sich insgesamt 30 Kilogramm einer hochaktiven Uran-Molybdän-Legierung. In 100 Kilometer Höhe werde sich der „kleine Schnelle Brüter“ vom Restsatelliten lösen und auf eine stabile Bahn in 800 Kilometer Höhe katapultiert. Mißlingt das Manöver, wird der Satellit „zerlegt“. Die „aktive Zone“ wird vom Reaktor getrennt und löst sich aerodynamisch in kleinste Teilchen auf, weiß die 'Prawda‘ von gestern. Fazit: „Keine Gefahr“.

gero