Plastiktüten-Theater

■ Politisches Pantomimen-Theater aus Essen ist heute abend im Theater am Leibinzplatz aus der Plastikhülle zu packen

Im Rahmen des „Politik im Freien Theater„-Festivals gastiert auch die Essener Theater-Gruppe „Antagon“ mit ihrem Stück „Plastik“ am Theater am Leibnizplatz. Die Gruppe aus einer Schauspielerin (Barbar Karger) und zwei Schauspielern (Karsten Itterbeck, Thomas Stich) gründete sich 1986 nach dem Studium der Pantomime an der Folkwang-Hochschule in Essen.

Man kommt in den Saal und sieht fasziniert beleuchtete Puppen mitten im Raum sitzen. Nein - so gut wie jeder Zuschauer erschrickt - es sind Schauspieler, die aussehen, als wären sie aus Plastik. Plötzlich - Stille - einige degenerierte Laute, schließlich, ausgepackt, kommen die mechanischen Puppen in Gang. Die Handlung, die dennoch keine richtige ist, beginnt. In ästhetischer Unbedenklichkeit werden Szenen aneinandergereiht, die alle anklägerisch für sich selbst wirken. Im ganzen Stück geht es um Plastik: um

Gummifi- sche, Riesentüten, Syntheti sche-Plastik-Futter-Automaten oder um Ganzkörperkondome.

Beeindruckend sind gerade solche Szenen, in denen die Kommunikation über Fernsprecher stattfindet, oder die, in der das Pärchen ohne Kind, sich vom per Laufsteg-Vorführung ausgesuchten Mann und seiner Samenbank per Knopfdruck ein Kind machen läßt. Ein Menschen-Automat: Aus einer Luke schießen nacheinander zwei Babies, in Plastik verpackt. Das erste wird sofort in den Mülleimer geworfen, weil es schreit. Das Publikum gröhlt und stockt. „Das ist genau was wir wollen, diese Tragikomik, man lacht und dann bleibt es einem doch im Halse stecken“, sagt der 29-jährige Karsten Itterbeck.

Die eindrucksvollste Szene, der Vergewaltigungsakt, in dem die 26-jährige Barbara Karger zeigt, daß sie die Reiz- und Ausrucksvollste ist, bietet ein passives Puppenspiel, bei dem der Mann sich hilflos und brutal entblößt. Zwischendurch immer wieder Szenen, in denen klar wird, wie sorglos wir mit dem uns fast vernichtenden „echt Plastik“ umgehen. Zum aufklärerischen Abschluß, das romantische Picknick von zwei sich scheinbar Liebenden, auf einem Plastikrasen mit Plastikblumen zwischen Müllbergen und dem Vogelge witscher aus dem Recorder. Leider endet das Picknick tödlich, da beim Küssen die Atemmasken, die für „Frische Luft“ sorgen, wegrutschen.

Die drei Akteure sagen von sich selbst: „Wir wollen nicht moralisieren, einen Anstoß wollen wir geben, wir wollen zur Bewußtwerdung des Alltäglichen beitragen“. Ein sicher gelungener Anspruch. Das Stück endete im großen Beifall.

Silke Becker