TYPISCH FRAU?

■ „Diese Männer, diese Frauen“ im TiK-Theater

In jeder Kneipe sitzt mindestens ein Frauenpaar und lehnt sich über den Rotwein. Die eine erzählt mit Sorgenfalten von ihrem Freund, der sich wieder einmal un-mög-lich benommen hat. Die andere nickt. Dann ist sie dran, ihrer ist noch viel unmöglicher. Nach einer reichlichen Stunde sind sie sich einig, daß alle Männer Makker sind und 'ne Macke haben. Frau läßt sich einfach zuviel gefallen. Für den Beweis muß der Bekanntenkreis herhalten.

Shelly zum Beispiel. Shelly gammelt vor sich hin und qualmt schon morgens Roth-Händle. Sie hat eine verrauchte Stimme und eine verruchte, dreckige Lache. Eigentlich eine Mordsfrau. Sie macht auf irrsinnig cool. Männer will sie „ficken, vergessen und ab zum nächsten“. Das klappt aber nicht ganz, weil ihr Andi am wichtigsten ist, aber Andi noch cooler ist. Der bringt es fertig und verdrückt sich vor dem ersten Hahnenschrei aus dem Bett. Dann ist Shellys Katzenjammer groß. Den Rest des Tages verbringt sie allein damit, auf Andis Anruf zu warten und schnell dates mit den anderen Lovern zu machen. Bloß nicht allein sein.

Doris ist ganz anders. Mit ihrem zarten Stimmchen ist sie die nette Zahnarzthelferin von nebenan und träumt von Mann und Kindern und Haus mit Garten und Katze. David ist leider nicht der Typ dafür. Darum hat sie ihn verlassen. Einen richtigen Orgasmus hatte sie noch nie.

Die Freundschaft zwischen Shelly und Doris beginnt mit einem Mißverständnis. Doris will ein Zimmer bei Shelly, Shelly hat aber nur eins. Sie nimmt Doris erst einmal auf. Aus einer Nacht werden viele und die beiden Freundinnen.

Doris und Shelly gibt es nicht. Sie werden von Sabine Buschman und Gabriele Strassmann gespielt. Shellys Wohnung befindet sich auf der Bühne des TiK-Theaters und besteht hauptsächlich aus einem bunten Gummibett mit Gummipalme und einem Telefon. Beides ist von enormer Wichtigkeit, denn das Stück dreht sich nur um Männer. Die rufen entweder an, weil sie in Shellys Bett wollen, oder lassen es bleiben und werden angerufen. Sie warten vor der Tür, und wenn Shelly Herrenbesuch empfängt, verdunkelt die Beleuchterin dezent. Diese Männer bleiben dem Publikum verborgen. Wichtig sind nicht die Männer selbst, sondern die Männer in den Köpfen der beiden Frauen.

Wie alle guten Freundinnen werfen sich Doris und Shelly erst einmal gegenseitig ihre Abhängigikeit vom anderen Geschlecht vor. Dann will erst die eine die andere, dann die andere die eine befreien. Sie sind kurz davor, wenigstens ein bißchen, lesbisch zu werden. Ausgerechnet dann rufen die Männer an. Da kann keine widerstehen. Mit der Zeit haben sie die Rollen getauscht: Shelly sitzt ohne Mann daheim, Doris hat ihre Kleider gewechselt und die Liebe entdeckt. Und dann kommt der Mann, der fast alle Freundinnen auseinander kriegt: der gemeinsame Mann. Aus ist der Traum, und Shelly kann so herzzerreißend schluchzen.

Die echten Freundinnen sitzen im Publikum und klatschen. Beim Rotwein danach sprechen sie erst über das Stück, dann über ihre Lovers und nach einer reichlichen Stunde über die Männer im allgemeinen. Dann gehen sie nach Hause, befriedigt, sich endlich mal wieder Luft gemacht zu haben, und mit dem Wissen, daß Männer 'ne Macke haben und überhaupt und sowieso. Nächste Woche werden sie wieder über einem Glas Rotwein die Köpfe zusammenstecken. Diese Frauen!

Claudia Wahjudi

„Diese Männer, diese Frauen“ im TiK-Theater. Noch am 2. und 20. - 23. und 27. - 30. Oktober, jeweils 21 Uhr. Auch für Männer.