Ladenschluß im Bundestag

■ Abgeordnete debattieren über Einführung des Dienstleistungsabends / Union gibt sich als liberale Partei / SPD und Grüne in der Diskussion gegen längere Öffnungszeiten

Berlin (taz/ap) - Bei der Bundestagsdebatte um den Gesetzentwurf der Regierung zur Einführung eines Dienstleistungsabends (donnerstags bis 21 Uhr) war oberflächlich betrachtet die Bonner politische Welt ausgerechnet am Donnerstag (nach 19 Uhr!) in Ordnung. Statt über den Ladenschluß konkret zu diskutieren, bestimmte ideologisches Schattenboxen die Debatte. Bundesarbeitsminister Blüm hob in seiner Begründung für das Gesetz hervor, daß der Dienstleistungsabend „für Entkrampfung unserer Lebensgewohnheiten, für Heraustreten aus dieser Kolonnengesellschaft“ führe. Dadurch seien mehr „Wahlmöglichkeiten für den einzelnen vorhanden“. Die CDU beweise mit ihrem Vorschlag, daß sie „eine sehr liberale Partei“ sei, „wir die Menschen entscheiden lassen wollen, wie sie ihr Leben einrichten, und nicht die Bürokraten“.

Der SPD-Redner Rudolf Dreßler hielt dagegen: Der Gesetzentwurf habe „familienfeindliche Tendenzen“, und außerdem seien nur 17 Prozent der Bevölkerung der Meinung, die Geschäfte seien nicht lang genug geöffnet. Seit Verabschiedung des Ladenschlußgesetzes 1956 sei die wöchentliche Arbeitszeit um zehn Stunden zurückgegangen und dies bedeute: „Verbraucher haben immer mehr Zeit bekommen, um einzukaufen.“

Spannend wurde es bei einem Zwischenruf Blüms, der für einen Moment den Vorhang des Ideologiestreits aufriß. Der Minister wollte von dem Sozialdemokraten wissen, was der von dem Lafontaine-Wort: „Teilzeit ist besser als gar keine Arbeitszeit“ halte. Dreßler: „Ich halte von diesem Wort genauso wenig wie von ihrem Wort im Jahre 1985, ...daß diese Arbeit besser sei als Arbeitslosigkeit.“

Auch die Rednerin der Grünen, Verena Krieger, hielt ein Plädoyer gegen die „Deregulierung“, mit der „den Familien das Grundlegendste, was sie für ihre Existenz ...überhaupt brauchen, nämlich gemeinsam verfügbare Zeit“, entzogen wird. Ein Redner der Unionsfraktion wies angesichts der Debatte darauf hin, daß bei den Sozialdemokraten auch anders gedacht würde. So sei vor einem Monat bereits die Einrichtung einer Arbeitsgruppe der SPD-Fraktion unter Peter Conradi beschlossen worden, in der die Erfahrungen skandinavischer Länder mit längeren Öffnungszeiten geprüft werden sollen. Conradi selbst unterstützt eine Lockerung der Ladenschlußzeiten.

Auch bei den Grünen gibt es keine einheitliche Position zu den Ladenschlußzeiten: Waltraud Schoppe zur taz: „Eine Veränderung des Ladenschlußgesetzes und die Einführung eines Dienstleistungsabends ist eine notwendige Konsequenz aus veränderten Lebensentwürfen. Das alte Ladenschlußgesetz hat sich an der traditionellen Familie orientiert. Mit erhöhter Frauenerwerbsarbeit ist die Zeit zum Einkaufen knapper geworden“.

mtm