Kaum eine richtige Gänsehaut

■ Steffi Graf: Spiel, Satz, Sieg, Küßchen, Gold und nix wie weg

Seoul (taz) - Am Ende wurde Steffi Graf richtig tiefsinnig. Ob denn so ein Erfolgsjahr wie das ihre zu wiederholen sei, war sie gefragt worden. „So schnell wahrscheinlich nicht.“ So schnell? Nie mehr, das wollten die Reporter hören. Doch die Tennisspielerin denkt eben weiter: „Wer weiß denn, wie lange diese Erde noch existiert?“

Beim 6:3, 6:3 gegen Gabriela Sabatini wählte Steffi Graf im Gegensatz zu den vergangenen Partien, als sie der Argentinierin penetrant auf die Rückhand spielte, diesmal eine andere Taktik. „Laufen lassen wollte ich sie“, und das gelang auch. Ob Sabatini nun „nach 20 Minuten gestorben“ ist, wie Ion Tiriac meint, oder „nach 35 Minuten das Benzin alle war“, was Bundestrainer Klaus Hofsäß vermutet; nach knapp eineinhalb Stunden war alles vorbei.

Nicht alle Zuschauer konnten das ganz miterleben. Ursprünglich sollte zuerst das Herren-Doppel stattfinden, und als Ergebnis dieser Verwirrung ging es auf dem Centre Court zwischenzeitig zu wie bei C&A im Winterschlußverkauf. Tausende von Menschen drückten nach und nach durch die Eingänge und wuselten durch die Sitzreihen; die weihevolle olympische Atmosphäre wollte sich da gar nicht recht einstellen. Ein würdiger Abschluß für ein Turnier, das bis dahin kein allzugroßes Interesse hervorrief.

Für Ion Tiriac, den Vermarktungsfuchs, Grund genug, sich um den Modus einige Gedanken zu machen. Wenn man vielleicht das Nationale etwas mehr betonte. Die „Stars and Stripes“ auf den Röckchen des US-Doppels machten da so wenig her wie der Bundesadler auf dem Hemd von Steffi Graf. Hymne und Flagge sorgten bei ihr auch nur kurz für „eine richtige Gänsehaut“. Viel Gefühl kennt sie nicht. Was ist mit der Doppelpartnerin Sabatini, die von 16 Matchs jetzt schon 14 verloren hat? „Ich leide nicht mit ihr.“ Dafür leiden andere mit Steffi Graf. Einige bundesdeutsche Fachreporter konnten ihre Emotionen nicht mehr im Zaum halten. So viel Freude hat sie ihnen gemacht in diesem Jahr, so viele Reisen in ferne Länder beschert. Da mußten sie ihr einfach ein Küßchen geben. Sage jemand, es gebe keine Dankbarkeit auf dieser Welt.

-thöm