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„Wir brauchen die Welt“

■ Reinshagens „Feuerblume“ in Fabrikhalle uraufgeführt / Der Hausmeister und Premierengast berichtet

Am Samstag wurde Gerlind Reinshagens Stück „Feuerblume“ uraufgeführt. Schauspielchef Günter Krämer und Regisseur Werner Schröter hatten sich dafür mit der alten Fabrikhalle in der Neustädter Industriestraße 20 nicht nur einen ungewöhnlichen Ort gesucht. In ihrer Inszenierung durchsetzten sie Reinsbergs Stück auch mit Zitaten aus Schönbergs „Pierrot Lunaire“ und mit Sprechgesängen nach Albert Girauds Gedichten, die Schönberg 1912 vertont hatte. Erste Rezensionen spiegelten denn auch das verwirrende Theater-Erlebnis in verwirrenden Beschreibungen. Die taz befragte in seiner Werkstatt vor Ort den Premieren-Besucher und Hausmeister des Fabrik-Komplexes in der Industriestraße, Peter Weiß.

taz: Empfanden Sie den Theaterbesuch hier in der Fabrikhalle nicht als Fortsetzung ihrer Arbeit?

Peter Weiß: Nein, das ist was ganz anderes. Das ist dann ja Freizeit für mich.

Wovon handelt das Stück?

Es handelt im Endeffekt davon, daß wir Erwachsene selbst die ganze Welt kaputt machen. Und die Jugend - es spielen viele Kinder mit - zuerst begreift, was wir für Fehler machen. Im Endeffekt ist die Feuerblume der Atompilz, das Radioaktive, was aber nicht ausgesprochen wird. Und hinterher begreifen auch die Erwachsenen, daß man anders leben und die ganze Welt anders behandeln sollte. Denn wir brauchen die Welt, die Welt braucht uns nicht.

Wird nicht in dem Stück unsere Gesellschaft als ein teuflisches Chaos dargestellt?

Jein, es geht mehr dagegen, daß

die Erwachsenen in dem gleichen Trott weiterleben wie bisher. Und die Jugend sagt: So können wir nicht leben. Wir wollen die Blumen erhalten und die Bäume erhalten - sowas, was heute die Grünen sagen.

Sie leben ja hier in einer Gegend, in der es sicher ganz wenig Blumen zu sehen gibt...

Oh nein, das würde ich nicht sagen. Wir gehen gleich mal raus, da erleben sie einen Garten, wie es ihn in der Innenstadt nicht gibt. Ich sage mir: Wer hier arbeitet, der hat auch nochmal die Chance, sich in der Mittagspause ins Grüne rauszusetzen.

Haben Sie sich in dem Stück an einer Stelle selber wiedergefunden?

Nee, das kann ich nicht sagen. Ich bin auch nicht einer der sagt: Der Baum muß unbedingt stehen bleiben. Ich sage: Das geht auch vielleicht anders. Ich bin auch nicht unbedingt so erpicht auf die Grünen.

Sie halten das für ein richtig grünes Stück?

Ach nee, ich finde das ist ein Stück, wo man hinterher drüber nachdenken muß. Ja klar, es stimmt einiges. Man siehts ja überall. Dieses Stück ist normalerweise Jahre zu spät.

Hat es Ihnen gefallen?

Ja, mir hat das sehr gut gefallen. Es ist da zum Beispiel eine Schauspielerin, die nimmt Abschied von den Blumen, von den Bäumen, weil sie durch uns getötet worden sind. Das berührt einen schon, wenn man heute einen Baum pflanzt und in drei Jahren läßt der schon die Blätter hängen. Vor allem, wenn es Pflanzen sind, bei denen man sagt: Da habe ich Erinnerungen.

Fragen: Dirk Asendorpf

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