Ganz normale Kollegen

■ Was macht die Gewerkschaft im Spielcasino / Gespräch mit dem Betriebsratsvorsitzenden der Bremer Spielbank, Joachim Jopp

taz: Spielcasino - das klingt vordergründig nach edler Lasterhöhle des großen Geldes, nach risikofreudiger Freizeit fürs Kapital. Paßt das zusammen mit solider gewerkschaftlicher Absicherungspolitik von Arbeitnehmerinteressen?

Joachim Jopp: Das ist ganz einfach. In einem Spielcasino geht es genauso reell zu wie in anderen Unternehmen auch. Wir werden staatlich überwacht, zahlen die höchsten Steuern überhaupt. Das Finanzamt überwacht uns. Von daher ist auch Gewerkschaftsarbeit genau das gleich wie in anderen Unternehmen auch. Allerdings mit einigen Vorbehalten. Wir werden z.B. nur aus den Trinkgeldern bezahlt, was natürlich heißt, daß wir nicht über die Maßen einstellen würden, weil wir das dann sozusagen vom eigenen Geld bezahlen müßten.

Färbt der alltägliche Umgang mit dem großen Geld großer Leute nicht ab auf die Wünsche und das Bewußtsein der Kollegen? Klingt denen „Kollege Croupier in der Gewerkschaft Handel, Banken und Versicherungden“ nicht ein bißchen zu hausbacken?

Unsere Kollegen sind genauso bodenständige Gewerkschafter wie in anderen Gewerkschaften. Das sehen Sie schon darin, daß wir zu 90 Prozent organisiert sind. Bei unseren Betriebsversammlungen kommen 80 Prozent. Bei den Betriebsratswahlen gab es eine hervorragende Wahlbeteiligung. Und ich bin Mitglied der HBV, und die tut was.

Und umgekehrt? Wenn Sie auf einem Gewerkschaftsseminar sind, werden Sie die schief angeguckt, weil schwarzer Anzug und Fliege ihre Dienstbekleidung sind?

Die HBV hat ja manchmal so das Image der „Weiße-Kragen -Gewerkschaft“. Aber eigentlich ist eher umgekehrt. Wir kommen in Jeans und Pulli zu einer Gewerkschaftsversammlung und dann haben die Funktionäre den schwarzen Anzug an. Natürlich gibt es da und dort noch das Vorurteil, daß wir das große Geld verdienen, bloß weil wir in einem Casino arbeiten. Und da wird man schon mal gefragt: 'Wozu braucht ihr denn nen Betriebssrat?‘ Aber das sind wirklich Vorurteile. Wir müssen genauso hart

für eine einigermaßen anständige Bezahlung arbeiten wie andere Berufsgruppen auch.

Was ist denn Alltag eines Betriebsratsvorsitzenden in einem Spielcasino? Womit kommen die Leure zu Ihnen, wenn sie im Betreibsratsbüro sitzen statt am Spieltisch?

Da gibt's ne ganze Menge. Arbeitszeiten zum Beispiel. Wir haben Personalknappheiten. Wie wir z.B. auf eine 40 -Stundenwoche kommen...

Sie kämpfen noch nicht für die 35-Stundenwoche?

Ne, das ist nicht drin. Wir bezahlen uns ja praktisch selber von unseren Trinkgeldern. Wir müssen schon 40 Stunden arbeiten, um ein einigermaßen angemessenes Gehalt zu bekommen.

Das heißt in einem Spielcasino muß der Betriebsratsvorsitzende im Interesse der Kollegen schon mal dafür sorgen, daß keine neuen Arbeitsplätze geschaffen werden?

Ja, das ist immer etwas problematisch. Früher haben wir das manchmal getan. Inzwischen wollen die Kollegen auch mal ganz gern ein bißchen mehr Freizeit haben. Deshalb: lieber einen zu viel einstellen als einen zu

wenig.

Aber eine gewerkschaftliche Auseinandersetzung um feste Tarifverträge mit fester Besoldung wäre aussichtslos?

Nein, aussichtslos ist das nicht. Sicher, feste Entlohnung das geht natürlich nicht. Wir wissen ja nicht, wieviel Trinkgelder wir reinbekommen. Tarifverträge: das ist jetzt in Arbeit. Das werden natürlich harte Kämpfe wie überall auch. Das wissen natürlich auch die Kollegen.

Und für solche gewerkschaftlichen Ziele können sie Kollegen Croupiers auch aktivieren. Das sind keine Gewerkschaftskarteileichen?

Die engagieren sich. Die kommen, die machen unsere Veranstaltungen mit, die informieren sich über den Stand der Verhandlungen. Die kommen zu unseren Betriebsversammlungen. Erkennt man einen Croupier außer Dienst auf der Straße?

(inzwischen in schwarzem Anzug, Schlipsd und Kragen) Ich bin vorhin gekommen. da hatte ich noch Jeans und Hemd an.

Fragen: K.S.