„Ausgrenzung tötet“

■ 600 Menschen zogen am Sonntag abend zum Gedenken an die Opfer von Aids durch die Innenstadt / Candlelight-Marsch als Abschluß des von der Aids-Hilfe organisierten „Tag des Lebens“

„Heute morgen hatte ich einen Traum“, erzählt Heinrich Best. Alles war wie früher. Um mich herum waren meine Freunde, von denen heute viele nicht mehr leben. Uns bewegen Angst, Trauer, aber auch Hoffnung.“ Best, selbst mit dem Aids auslösenden HIV-Virus infiziert, sprach für die neugegründete „Arbeitsgemeinschaft Berliner Positiver“ auf der Abschlußveranstaltung eines Candelight-Gedenkmarsches für die an Aids Gestorbenen, der am Sonntag abend durch die Berliner Innenstadt zog. In Berlin sind bislang rund 170 Menschen an der Immunschwäche gestorben, bundesweit sind es über 1.000.

Rund 600 Menschen trafen sich gegen 19 Uhr am Savignyplatz, um am Gedenkmarsch Richtung Kurfürstendamm teilzunehmen. Viele hielten brennende Kerzen in den Händen. Dem Zug vorangetragen wurde ein transparent: „Ausgrenzung tötet“. Vorweg fuhr ein Wagen der Berliner Aids-Hilfe mit der Regenbogenfahne - in den USA schon lange das Zeichen der lesbisch-schwulen Befreiungsbewegung und hierzulande Symbol der Solidarität.

Auf der Abschlußkundgebung auf dem Breitscheidplatz überbrachte ein Vertreter des Aids-Project Los Angeles die Grüße seiner Organisation und von Bürgermeister Bradley. Erst eine Woche zuvor hatte es in der amerikanischen Partnerstadt ebenfalls einen Gedenkmarsch gegeben, mit dabei Bradley. Soviel Interesse bringen die Berliner Stadtoberen nicht auf: Weder der Regierende Diepgen noch Parlamentspräsident Rebsch hatten sich in irgendeiner Form an der Veranstaltung beteiligt. Und dies, obwohl Rebsch die Schirmherrschaft für den von der Aids-Hilfe ausgerufenen „Tag des Lebens“ übernommen hatte, an dem der Gedenkmarsch nur eine Aktivität blieb.

Begonnen hatte der Tag mit einem ökumenischen Gottesdienst. Am Nachmittag formulierten dann auf einer Podiumsdiskussion Vertreter der Positivenarbeitsgemeinschaft und der Aids -Hilfe ihre Forderungen an die Parteien. Neue Perspektiven brachte diese Diskussion jedoch nicht. Die Aids-Hilfe forderte dort erstmals öffentlich ein Stopp-Aids-Projekt nach dem Muster San Franciscos. Dort hatten in großer Zahl organisierte Gesprächskreise zu Safer Sex und Aids dazu geführt, daß die Rate von Neuinfektionen mit dem HIV auf jährlich weit unter ein Prozent gefallen war.

Andreas Salmen