Lächeln genügt nicht-betr.: "Neues zur Mimik", taz vom 28.9.88

betr.: „Neues zur Mimik“, taz vom 28.9.88, Seite 18

Da erfahren wir, daß die „Sprache des Gesichts“ keine kulturellen Grenzen kenne und daß menschliche Mimik direkt von inneren (biolgoisch erzeugten) Stimmungen „gezügelt“ werde. Als visueller Beleg für diese „Wahrheit“ wird eine Bilderserie aus dem Buch Die Biologie des menschlichen Verhaltens geliefert, die einen „Buschmannsäugling“ mit „reichem Mimik-Repertoire“ darstellt. Das ist ein äußerst liebenswertes Baby - leider wird es, ganz rassistisch, nicht San, sondern „Buschmann“ genannt und steht in dieser Eigenschaft „natürlich“ für Urmenschlichkeit und Steinzeitlichkeit.

Wir beobachten Dukakis und Bush im Fernsehen und wissen, daß ihre Mimik und Gestik (von Wissenschaftlern beraten) für den Wähler einstudiert worden sind. Wie sollen wir da an die neue Lehre von der einen Gesichtssprachenspontaneität glauben, die uns da aufgetischt wird? Es scheint sinnvoller, daß wir erst einmal die kulturellen Unterschiede in der Mimik verstehen, bevor wir über den „Menschen an sich“ spekulieren. Die Abkürzung direkt vom Eurozentrismus zur Allgemeinmenschlichkeit klappt nicht. Da hüpft das Denken nur über „kulturelle Grenzen“ hinweg, um dann die Biologie als Grenze aufzubauen.

Entlarvend ist die abschließende Bemerkung über den Touristen unter den „Exoten“: „Schon ein Lächeln schafft eine freundliche Beziehung und vermittelt Kontakt.“ Daß ein weißes Gesicht ein braunes oder schwarzes anlächelt und die Jahrhunderte Kolonialismus und die Jahrzehnte Neokolonialismus dabei vergessen werden können, ist undenkbar. Hinter dem zurückgeworfenen Lächeln können maskierte Feindlichkeit, Ja-Baas-Schläue oder rein finanzielles Interesse stecken. Spontanes Verständnis zwischen Vertretern der „Ersten“ und „Dritten Welt“ setzt erfolgreiche Entkolonisierung bei Sender, Empfänger und Umwelt voraus.

H. Umfana