Gemein: Strauß tot?

■ Die taz schrieb ihn mit unter die Erde

In den Räumen der tageszeitung, Berlin-West, Sonntag, neuneinhalb Uhr. Die intern auch „Gummizelle“ genannte Stube der Aktuellen-Redaktion betritt der Inlandsmann Klaus Hartung, ein Manuskript in der Linken. Ein Manuskript, aus dem Blut fließt: „Hier ist der Nachruf„; erschöpft sinkt der Mann in einen weichen Stuhl. Zu dieser Zeit kann keine Rede davon sein, daß Franz Josef Strauß den Folgen seines schweren Herzanfalls erlegen ist; im Gegenteil: Rein spekulativ, quasi prae mortem, wird Strauß zu einem Zeitpunkt, da er mit dem Tode ringt, bereits medial lebendig begraben.

Nun ist klar, daß in allen Redaktionen von 'Bayernkurier‘ bis 'Vorwärts‘ derartige Für-alle-Fälle-Papiere in den Giftschränken liegen - aber in der taz? Erinnern wir uns: Vor einem Jahr, Barschels Vollbad noch schwer in den Knochen, am Morgen nach den Schüssen auf die Mehlmützen an der Startbahn West, gemahnte die Redaktionskonferenz an eine Frühmesse: ob die taz nicht mitverantwortlich sei für ein Klima der Gewalt, ob man nicht quasi mitgeschossen habe, schlug man bang die mürben Hände über den Köpfchen zusammen. Und heute? Gerade Klaus Hartung, sonst ein Schwerhumanist und Presbyter, dessen Kommentare eigentlich unter das Betäubungsmittelgesetz fallen müßten, entpuppt sich als Nachrufmörder.

Vom Verdacht der klammheimlichen Freude aber kann er immerhin freigesprochen werden: Stirn und Hals in tiefe Falten gelegt, raunt es bischofsernst aus ihm heraus, rechter Populismus ... politisches Lackmuspapier usw., und taz-Tagesthemen-Mann M.Rediske, der wie kein zweiter die ganze Bandbreite zwischen kritischem Opportunisten, Koboldmaki und rasendem Mitläufer abzudecken vermag, nickt nickt nickt.

Ungeduldig wartet man auf die Todesnachricht: „Wenn Strauß stirbt, hast du wenig Platz, wenn nicht, ganz viel„, müssen andere Autoren am Telefon hingehalten werden; ob man nicht den schmächtigen Nachwuchsredakteur C.C.Malzahn in den Tropf einschleusen könne, wird erwogen und verworfen; halbstündlich werden die bayerischen Informanten angerufen: „Ja, isser nun hin oder was?„ Ist er nicht. - Und in der Mon tags-taz erscheint der Nachruf dann natürlich nicht.

Die Medchenredaktion sieht sich nicht in der Lage, der taz -Leserschaft diese internen Informationen zu verschweigen; wir sind bestürzt, fassungslos und betroffen. Mit Empörung, Wut und Trauer weisen wir den zynischen und menschenverachtenden, über Leichen gehenden Springer -Journalismus entschieden zurück, entschuldigen uns bei unsern Lesern und wünschen Herrn Strauß ein langes und erfülltes Leben.

wiglaf droste