Atomwaffenverzicht ins Grundgesetz

■ SPD-Juristen unterstützen die Kampagne, im Grundgesetz den vollständigen Verzicht auf Atomwaffen festzuschreiben / Konferenz im November

Folgt man den Worten des SPD-Politikers Egon Bahr, dann hat sich die Arbeitsgemeinschaft Sozialdemokratischer Juristen (ASJ) jetzt einen „Gag“ zu eigen gemacht. Mit diesen drei Buchstaben hatte Bahr im vergangenen Jahr die Forderung der Grünen abgetan, einen vollständigen bundesdeutschen Atomwaffenverzicht ins Grundgesetz aufzunehmen. Als erste Arbeitsgemeinschaft in der SPD haben die Juristen jetzt Unterstützung für diese Kampagne beschlossen, an der seit rund einem Jahr im Verborgenen gebastelt wird und die mit Veranstaltungen und Publikationen in den nächsten Wochen an eine breitere Öffentlichkeit gehen will. Vom grünen Stallgeruch hat sich die Initiative schon länger befreien können: Im Trägerkreis für eine internationale Konferenz am 25.November in Köln finden sich die „Ärzte zur Verhinderung des Atomkriegs“ (IPPNW) ebenso wie DKP, Kommunistischer Bund, Jungdemokraten und christliche Friedensorganisationen. Schon vor den SPD-Juristen hatten die drei anderen fortschrittlichen Anwalts- und Richtervereinigungen der Bundesrepublik ihre Unterstützung zugesagt.

Der von der Bundesregierung und Teilen der SPD bisher gepflegte Mythos, die BRD sei bereits an einen vollständigen Nuklearwaffenverzicht gebunden, zeigt damit erste Risse. Gerade für die Diskussion über die deutsch-französische Militärkooperation und die Entwicklung einer europäischen Streitmacht sind die Schlupflöcher der bisherigen Verzichtserklärungen bedeutsam. So untersagt der Atomwaffensperrvertrag, der ohnehin auf 1995 befristet ist, nicht die Unterstützung des französischen Atomwaffenprogramms mit Plutonium aus der BRD, Trägersystemen oder Know-how. Die Verzichtserklärung Adenauers von 1954 gegenüber den Staaten der Westeuropäischen Union bezieht sich nur auf die Produktion kompletter Atomwaffen auf bundesdeutschem Territorium. Unter der Bedingung eines Europäischen Bundesstaates erlaubt der Sperrvertrag der BRD auch die Beteiligung an einer europäischen Atomstreitmacht. Als SPD-Abgeordnete kürzlich beim Auswärtigen Amt nachfragten, ob „eine gemeinschaftliche Verfügung“ über Atomwaffen mit den vertraglichen Verzichts -Verpflichtungen vereinbar wäre, nannte die Behörde Genschers merkwürdigerweise nicht diese sehr eng gefaßte „europäische Option“, sondern verwies ganz schlau nur auf den Status quo: Es gebe keine gemeinschaftliche Verfügung über Atomwaffen auf bi- oder multinationaler Basis.

Dennoch zeigen die Nachfragen der SPD, daß man sich in der Bundestagsfraktion allmählich etwas ernsthafter mit der geforderten Grundgesetz-Ergänzung zu beschäftigen beginnt. Trotz der ablehnenden Haltung der Partei-Oberen hatten sich bisher schon Jusos und die SPD-nahe Gustav-Heinemann -Initiative an der Diskussion um diese Kampagne beteiligt. Die Forderung von Hermann Scheer und anderen Abgeordneten, zu den deutsch-französischen Verträgen müsse der Bundestag einen deutschen Nuklearwaffenverzicht hinzufügen (siehe Artikel oben), verleiht nun der Grundgesetz-Initiative unwillentlich ihre Berechtigung. Dennoch wirft Scheer der Kampagne vor, daß sie „verheerende Auswirkungen“ hätte, wenn sie parlamentarisch scheitert: Beim Verfehlen der nötigen Zweidrittelmehrheit wäre in der Öffentlichkeit nur das Wissen über die Schlupflöcher des bisherigen Atomverzichts verankert. Scheer: „Das wäre ein Pyrrhus-Sieg, der uns noch weiter von einer Antiatomposition wegbringt.

cw