IG Bau gegen rechtsextreme Unterwanderung

Auf dem Nürnberger Parteitag der Gewerkschaft Bau-Steine-Erden diskutieren die Delegierten ein heikles Thema: die Annäherungsversuche rechtsextremer Organisationen / Mitgliederschwund durch Arbeitslosigkeit / Funktionäre wollen Apparat straffen  ■  Von Martin Kempe

Berlin (taz) - Gleich am zweiten Tag des Gewerkschaftstages der Industriegewerkschaft Bau-Steine-Erden (IGBE) in Nürnberg wartete der Vorsitzende Konrad Carl mit einer brisanten Feststellung auf: rechtsradikale Organisationen, erklärte er in seinem Rechenschaftsbericht, unternehmen verstärkte Anstrengungen, in der IG Bau-Steine-Erden und anderen Gewerkschaften Fuß zu fassen und für ihre Ziele zu werben. Es ist schon längere Zeit kein Geheimnis mehr, daß die Arbeiter vom Bau besonders anfällig sind für reaktionäre Parolen und zuweilen bereits aktiv gegen Protestbewegungen wie die Berliner Hausbesetzer mobilisiert wurden und handfest vorgegangen sind. Nun scheint es auch den Spitzenfunktionären in der IGBE mulmig geworden zu sein ob des Geistes, der sich auf vielen Baustellen der Republik breitgemacht hat: Carl kündigte an, die Gewerkschaft werde „konsequent handeln“ und jeden ausschließen, der einer rechtsradikalen Organisation angehört, für diese wirbt oder sich an deren gewerkschaftsfeindlichen Aktivitäten beteiligt. Die Satzung gebe dafür die nötige rechtliche Handhabe.

Die Annäherungsversuche der Rechtsradikalen sind nicht das einzige Problem, dem sich die mit 470.000 Mitglieder immer noch viertgrößte Gewerkschaft im DGB ausgesetzt sieht. Denn die goldenen Jahre sind auf dem Bau schon lange vorbei. Seit 1980 bewegt sich die Bauindustrie auf permanenter Talfahrt, rund 280.000 Arbeitsplätze sind seitdem verlorengegangen. Die IGBE büßte rund 60.000 Mitglieder ein - und die Überalterung der verbleibenden Mitglieder, der Anteil der Rentner, nimmt ständig zu. Das geht auch an die finanzielle Substanz der Gewerkschaft, die wohl immer noch zu den wohlhabendsten Mitgliedsgewerkschaften des DGB zählt. Aber allein der jahrelange Zusammenbruch des Neue-Heimat-Konzerns hat die Baugewerkschaft seit Anfang der achtziger Jahre 151 Millionen Mark (rund 320 Mark pro Mitglied) gekostet, mehr als das gesamte Beitragsaufkommen eines Jahres (125 Millionen Mark).

Die IGBE sieht sich auf Grund ihrer geschrumpften Reserven und sinkenden Beitragseinnahmen gezwungen, in den kommenden Jahren die Organisation zu straffen. Die Verwaltungsarbeit soll zentralisiert werden, einige der derzeit noch 125 Bezirksbüros werden wohl dem Rotstift zum Opfer fallen. Statt dessen soll mehr Personal für Werbung und Betreuung der Mitglieder eingesetzt werden. Der Hauptkassierer der IGBE, Karl-Heinz Pradel, hat zwar noch keine genauen Vorstellungen über eine Organisationsreform der Baugewerkschaft. Aber bis zum nächsten Gewerkschaftstag in vier Jahren soll das Problem angepackt werden.

Die beste Sparpolitik sei es, so Pradel, neue Mitglieder zu werben. Die IGBE setzt dabei vor allem auf eine verstärkte Bautätigkeit im Umweltbereich. Die IGBE fordert eine Sanierung der finanziellen Situation der Kommunen, um die nötigen Umwelt-Investitionen der Öffentlichen Hand zu ermöglichen. Als wichtigste Investionsschwerpunkte denkt die Baugewerkschaft an die Sauberhaltung von Wasser und Luft, Stadtsanierung und Dorferneuerung, Energieeinsparung und Altlastenbeseitigung. Außerdem fordert sie eine Intensivierung des sozialen Wohnungsbaus. Zusammengefaßt sind diese Forderungen in einer dem Gewerkschaftstag vorliegenden Entschließung „Wohnen und Leben 2000“, das vom antragstellenden IGBE-Hauptvorstand als „Bauen-und-Umwelt -Memorandum zur ökologischen, sozialen und humanen Stadterneuerung“ betitelt wird.

Während die Orientierung der IGBE auf ein ökologisches Investitionsprogramm unumstritten ist, gibt es mit der Tarifpolitik innerhalb der Organisation eine weitverbreitete Unzufriedenheit. Die Bauarbeiter sind schon längst nicht mehr an der Spitze bei den Stundenlöhnen.

Mehrfach hatte die Tarifkommission der IGBE in den letzten Jahren die vom Vorstand ausgehandelten Tarifkompromisse nicht übernommen und Neuverhandlungen erzwungen. Aus dem Bezirk Nordmark steht der Antrag zur Abstimmung, die bisherige Tarifpolitik in „Strategie und Taktik und Durchführung zu überdenken, rigoros zu ändern“. Die IGBE sei nicht mehr streikfähig und halte im Gegensatz zu den Arbeitgebern am Gedanken der sozialen Partnerschaft fest.