„So einen kriegen wir nimmer!“

■ Bayern betroffen vom Tod ihres Landesvaters / Flaggen in München auf Halbmast Trauermusik im Rundfunk / Spekulationen über Nachfolge: „I dad auf'n Tandler tippn“

München (taz) - Verzweifelt dreht der gebürtige Stuttgarter Taxifahrer an seinem Radio. „Nix wie Trauermusik“, schimpft er. „Der Bayerische Rundfunk sendet ernste Musik anläßlich des Todes von Ministerpräsident Strauß“, tönt eine weibliche Stimme aus dem Transistor. Nur bei den privaten Sendern wird noch ab und zu geträllert, aber auch hier ist man um gedämpfte Stimmung bemüht. Auf den Straßen der Landeshauptstadt ist die Nachricht vom Tod jedoch noch nicht bei allen angekommen. Überrascht zeigen sich zwei junge Studentinnen auf dem Weg zur Mensa. „Bayern und Strauß ist eins“, meint die 21jährige Susanne jedoch nachdenklich, und zwei junge Mädchen aus Hannover beim Einkaufsbummel in der Fußgängerzone seufzen gar: „Armes Bayern!“. Rund um den Marienplatz hat sich die Nachricht vom Tod schneller verbreitet. Vom Rathaus wehen die Fahnen mit Trauerflor. Aber auch Banken wie die „Bayerische Hypobank“ sind beflaggt, und auch die Hotels wie das „Conti Hotel“ haben ihre Flaggen auf Halbmast gesetzt. Bestens informiert ist die Toilettenfrau im „Domcafe“: „Nur noch, wenn der Erzbischof stirbt, läuten die Glocken so lang“, weiß sie. Sofort nach dem Tod von Strauß wurden die Glocken des „Alten Peter“ gegenüber vom Rathaus geläutet.

Immer wieder tönen an diesem Tag dumpf die Glocken der Frauenkirche, wo bereits am Vortag Tausende umsonst für die Genesung des Landesvaters beteten. „I hob denkt, mi trifft dr Schlog, wi'r i des g'hert hob. Daß des so schnell geht, hob i ned denkt“. Die 63jährige Ramona Stallmach betont nachdrücklich, wie erschüttert sie sei, und ihr Mann neben ihr nickt dazu. Den Eindruck eines raschen Todes von Strauß versuchten auch die bayerischen Minister zu vermeiden. Noch am Vormittag gab Sozialminister Gebhard Glück eine Pressekonferenz. „Auch in dieser bedrückenden Stunde geht die Arbeit weiter“, stellte er fest und hoffte, daß „seine bekannte robuste Art ihm hilft“.

Aber nicht alle „Landeskinder“ zeigen sich betroffen. „Ich bin kein Strauß-Anhänger, das trifft mich jetzt nicht so“, erklärt die 48jährige Münchner Hausfrau Maria Raith. Trotzdem: „Menschlich tut's mir leid“, fügt sie hinzu. „So einen kriegen wir nimmer“, glaubt ein 60jähriger Rentner. Die Frage 'was kommt nach Strauß‘ stellen sich viele. „Für Bayern ist es schlimm, er hat ja für keinen Nachfolger gesorgt“, glaubt eine Wiener Touristin. Auch am Obststand vor ihr wird „über die Nachfolge spekuliert: „I dad auf'n Tandler tippn, obwohl der net hundertprozentig mei Fall is“, meint der 47jährige Münchner Obstverkäufer. Der Beliebtheitsgrad des frischgebackenen Wirtschaftministers und Altöttinger Postwirts ist nicht besonders hoch. „Na, der Tandler soll nach Altötting, da ghört er hin“, ereifert sich ein 46jähriger aus dem oberbayerischen Freilassing im stilvollen Trachtenanzug. Mit seinen Bekannten ist er gerade fieberhaft auf der Suche nach einem Geschäft für Jagdwaffen. Der Tod des Landesvaters scheint ihn im Moment weniger zu berühren. Doch sein Jagdkollege, ein 51jähriger Zollbeamter aus Berchtesgaden, betont: „Tragisch ist es, wer hot denn die ganze Industrie nach Bayern bracht, des war der Franz Josef!“ Im Moment ist die Nachfolgerfrage offiziell jedoch kein Thema.

Stellvertretender Ministerpräsident ist erst seit wenigen Wochen Finanzminister Max Streibl. Damit ist jedoch noch nicht automatisch eine Nachfolge verbunden. Für die kommende Woche hat Landtagspräsident Heubl alle Sitzungen abgesagt. Nur ein Trauerakt, der Termin steht noch nicht fest, soll abgehalten werden. Innerhalb von vier Wochen muß der Landtag eine Sondersitzung zur Wahl eines neuen Ministerpräsidenten durchführen oder den Landtag auflösen und Neuwahlen festsetzen. Auch der Termin für die Sondersitzung ist noch nicht bekannt. Fest steht jedoch für viele Münchner: „Die Beerdigung von Strauß wird das größte Staatsbegräbnis nach Adenauer.“

lui